Sprache kann töten und auch heilen, davon zeigt sich FURCHE-Herausgeber Heinz Nußbaumer überzeugt. Vor über 80 betroffenen Zuhörern sprach er am vergangenen Dienstagabend im Thomassaal des Missionshauses St. Gabriel über die unheilvollen Folgen von Hasspostings und Fake-News im anonymen Cyberspace. Als wachsamer Beobachter aktueller Vorgänge konstatierte der katholische Publizist: „Im Wahlkampf hat Donald Trump, der am 20. Januar als neuer US-Präsident in das Weiße Haus einzieht, 228 Personen und Institutionen beflegelt und beleidigt. Es hat ihm nicht geschadet. Am 26. Januar wird unser neuer Bundespräsident angelobt. Nie zuvor waren unsere „sozialen Netze“ so voll von Wut und Hass – gegen Politik, Medien und die „Eliten“. Erschreckt haben wir gelernt: Unsere Gesellschaft hat das Internet und die Wahlzellen als Schießscharten entdeckt, um Abrechnung zu halten.“ So Nußbaumer.
Der Vortragende analysierte die Ursachen dafür, dass „ein Rekordjahr der Verhetzung“ hinter uns liegt. Die im Internet gegebene Anonymisierung befördert die Radikalisierung. In sozialen Netzwerken bewegen sich die Menschen in „Filterblasen“, wo Gleichgesinnte unter sich sind. Emotion und Meinung ersetzen oft eine gründliche Recherche, die Fakten liefern könnte. Fake-News werden millionenfach im globalen Netz geteilt. Die Leute glauben und verbreiten, was sie glauben möchten. Erwiesenermaßen verbreiten Rechtspopulisten am meisten Falschmeldungen. Etablierte Medien werden als „Lügenpresse“ verunglimpft. Ein „Aufstand der Beleidigten“ richtet sich gegen alle außerhalb der eigenen Blase. Aus vermeintlich echter Empörung wird - befördert durch Anonymität - schnell ein Shitstorm, der Menschen fertigmachen kann. Die Täter sind meist unbekannt, Rechtshilfe gibt es kaum.
Eine weitere bedenkliche Entwicklung ist „Big Data“: Digitale Spuren von Internet-Usern werden von Firmen gezielt gesammelt. So können Produktwerbungen zielgruppengenau positioniert werden. Aber nicht nur das: Zentren für Psychometrie sind mittlerweile entstanden. Sie geben an, aufgrund des Surfverhaltens und der „Likes“ von Personen genau über ihre politische und religiöse Einstellung, ihre Werthaltung und ihre Schlüsselthemen Bescheid zu wissen. Politische Parteien kaufen diese Daten und versenden im Wahlkampf gezielt personalisierte Meldungen, die den Menschen nach dem Mund reden und sie dazu bringen, diesen Parteien ihre Stimme zu geben. Donald Trump soll auf diesem Weg die Wahl gewonnen haben.
Heinz Nußbaumer forderte die Zuhörer dazu auf, das Internet angesichts dieser Entwicklungen verantwortungsvoll zu nutzen. Er zeigte sich überzeugt, es brauche ein neues Bewusstsein für die Brisanz von Sprache. Es brauche aktiven Widerstand gegen das „Virus der Polarisierung und Feindschaft“, vor dem Papst Franziskus warnte, indem er sagte: „Es dring in das Denken und Fühlen ein und nimmt das Herz in Beschlag“. Es brauche ein Aufstehen gegen das Missverständnis einer „postfaktischen Gesellschaft“. Die Meinung darf nicht über die Fakten siegen. Der demokratische Rechtsstaat lebt von unterschiedlichen Meinungen, vom Ausdiskutieren von Differenzen und vom Brückenbauen.
„Wir müssen die Zeichen der Zeit erkennen“, zeigte sich Nußbaumer überzeugt. „Wem geben wir unsere Emotionen? Ist unsere Sprache verletzend oder stärkend? Prüfen wir, was wir weitergeben, auf seinen Wahrheitsgehalt? Wir müssen lernen, einander noch viel bewusster zuzuhören!“ Das Zuhören wurde beim anschließenden Umtrunk und Gespräch mit dem Referenten gleich intensiv face to face eingeübt.
Der nächste Vortrag in der Reihe „Recht auf Freiheit“ findet am 21. März 2017 um 19:30 im Missionshaus St. Gabriel statt. Der Wiener emeritierte Universitätsprofessor für Religions- und Kulturrecht Richard Potz spricht zum Thema „Religionsfreiheit in Zeiten von Globalisierung und Pluralisierung“. Herzliche Einladung!
Franz Helm SVD