Fremdenpolitik in der Bibel

19. Okt 2011

Die diesjährige Vortragsreihe befasst sich mit dem Umgang mit Ausländern und Migranten in unserem Land. Im ersten Vortrag orientierte sich Pater Christian Tauchner an den Büchern Rut und Esra.


"Im Hintergrund haben wir die Beteuerungen unserer 'christlichen' Politiker, dass die Gesetze eben fordern, was sie fordern und wir gesetzestreu sind, aber in Anwendung der Gesetze (die wir selber vorher gemacht haben) doch auch als Unmenschen erscheinen. Das Leben als Fremde ist vielen Steyler Missionaren noch sehr gut in Erinnerung: Wir waren als Fremde und Freunde unter anderen Völkern, teilweise viele lange Jahre. Das hat auch unseren Umgang mit Fremden und Ausländern geprägt, sollte es auf jeden Fall tun. Daher auch die Gestaltung des Programms dieses Jahres". Dies betonte Pater Rektor Pitterle in der Einleitung der Vortragsreihe im Bildungshaus St. Gabriel.


Als Christen beziehen wir uns als Handlungsnorm auf die Bibel, weil wir glauben, dass wir dort einen festen Grund für unseren Glauben und unser entsprechendes Handeln vorfinden. Nun zeigt sich an den beiden angesprochenen Büchern des AT, Esra und Rut, dass gerade auch im Alten Testament und in der Bibel sich durchaus nicht so klare Handlungsanweisungen ergeben. Klar ist allerdings, dass die Fremdenpolitik seit langen Jahrhunderten, eben seit biblischen Zeiten, ein komplexes und umkämpftes Thema ist.
Pater Christian Tauchner ging es im Vortrag um einen Blick auf die Entwicklung des Alten Testaments. Zentral ist die Erfahrung des Volkes Israel von der Befreiung aus der Sklaverei und die Gabe Gottes, der diesem erwählten Volk Land und Leben verspricht. Der Segen Gottes bezieht sich zuerst auf sein Volk, schließt darin aber besonders auch die Armen, Waisen und Witwen und in verschiedener Weise die Fremden ein. Die Propheten mahnten immer wieder ein, dass das Volk dem Bund mit Gott treu bleiben muss, damit es im Gelobten Land leben darf.
Die politische Katastrophe der Zerstörung Jerusalems und des Exils wurde interpretiert als Folge des Bundesbruchs durch das Volk.
Nach der Rückkehr aus dem Exil interpretierte eine theologische Richtung, dass es für das Leben im Bund mit Gott notwendig ist, sich besonders auf den Tempel, die Gesetzestreue, die kultische Reinheit und die Priesterschaft zu konzentrieren. Die Folge davon war die Verstoßung der Frauen aus anderen Völkern (Esra 10).
Zur gleichen Zeit entsteht eine Novelle, die Geschichte über Rut, in der die Fremden gerade aus dem verhassten Nachbarland Moab als besonders treue Frau geschildert wird und in den Stammbaum Davids eingebaut wird.
Im Vortrag ging es darum zu zeigen, dass die Geschichte des Volkes mit Gott immer wieder neue Interpretationen erfährt. Das gilt bis heute, wo wir auch von unserem Glauben und unserer Gotteserfahrung aufgefordert sind, als Kirche und Gemeinschaft Fremde anzunehmen, weil wir glauben, dass sie unsere Schwestern und Brüder sind.

Franz Pilz SVD