Erziehungsarbeit für die Freiheit

16. Jul 2012

Durch das Engagement in der Erziehung leisten die Christen ihren Beitrag zur Befreiung der Menschen in Bhopal (Indien), erzählt Bischof Leo Cornelio in St. Gabriel.

Bischof Leo Cornelio ist auf der Durchreise im Missionshaus St. Gabriel zu Besuch. Seit fünf Jahren ist der Steyler Missionar für die Erzdiözese Bhopal im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh zuständig.

Die Erzdiözese Bhopal zählt fünf bis sechs Millionen Einwohner. Davon sind etwa 25.000 Katholiken (also etwa 0,5% der Bevölkerung), die zum größten Teil aus der Stammesbevölkerung („tribals“) oder den unteren Kasten stammen. In der Erzdiözese arbeiten etwa 450 Schwestern aus ungefähr 40 Kongregationen, 66 Diözesanpriester und etwa 70 Priester aus verschiedenen Ordensgemeinschaften; der Großteil von ihnen stammt aus dem Süden Indiens. Dazu kommen noch einige Brüderkongregationen.


Bischof Cornelio erzählt von seiner Diözese:

Die Schwestern und Priester engagieren sich besonders in der Erziehung, im Gesundheitswesen und in der Sozialarbeit mit den Armen, besonders den Frauen und Kindern. Wir betreuen drei oder vier Spitäler. Es gibt einige Kongregationen, die sich mit der AIDS-Hilfe beschäftigen oder sich um Leprakranke kümmern. Andere arbeiten in der Altenfürsorge. Das sind Arbeiten, die die Regierung nicht wahrnehmen kann. Besonders in den entlegenen Dörfern arbeiten wir viel. Es gibt dort kaum Schulen. Daher helfen wir dort, weil wir Erziehung für eine wichtige Sache halten. Für die Leute ist die Missionsschule sehr attraktiv, sie kommen gern, weil es dort die beste Erziehung gibt, die man bekommen kann. Natürlich, über 90% der Kinder sind nicht christlich.


Politische Schwierigkeiten

In der indischen Politik nimmt zur Zeit die Konfusion wieder zu. Das hängt damit zusammen, dass die „Kongresspartei“ lange die größte Partei war und für Stabilität gesorgt hat, aber sie wurde auch sehr korrupt. In Madhya Pradesh war die BJP-Partei lange die führende Kraft. Aber inzwischen verlieren die großen landesweiten Parteien mit ihren ausgearbeiteten Programmen oft die Vorherrschaft und müssen sich mit lokalen Parteien und ihrer Klan-Struktur zusammenfinden. Die RSS, eine integristische Hindupartei, steht dabei oft im Hintergrund und fordert, dass religiöse Bekehrungen unterbunden werden. Sie setzen sich dafür ein, dass alles Ausländische, also auch das Christentum und der Islam, aus dem Land entfernt werden.

Auf der Ebene der Beamten gibt es oft eine hohe Anerkennung für die Arbeit, die wir in den verschiedenen Bereichen leisten. Aber dann kommt die Politik ins Spiel, sie muss sich den Anforderungen der kleineren Parteien stellen. Für die Kirche ist es wichtig, mit der Regierung in einem guten Einvernehmen zu stehen, aber das ist oft wegen der Forderungen der kleineren Parteien nicht leicht durchzuhalten.

Es gibt immer wieder religiöse Bekehrungen. Das erklärt sich einfach: Wir arbeiten besonders mit den Armen und den Stammesangehörigen. Sie haben Interesse an einer Veränderung der Gesellschaft und ihres Lebens. Andererseits garantiert die Verfassung des Landes die Religionsfreiheit; sie wird aber von integristischen Parteien interpretiert als „Verbot von Bekehrungen“. Gemeint wäre, dass jeder freiwillig die Religion ausüben kann, der er folgen will. Natürlich gibt es auch extreme christliche Kirchen, die mit Angst und falschen Motiven für Bekehrungen werben. Das wird dann allen Christen vorgeworfen.


Das Beispiel der Missionare

Die Missionare, die früher aus dem Ausland kamen, haben ein gutes Beispiel hinterlassen. Sie waren immer zu den Menschen in den Dörfern unterwegs, hatten keine besonderen Möglichkeiten und haben auf viele Bequemlichkeiten verzichtet. Die Steyler Missionare haben in dieser Geschichte einen guten Ruf und gaben ein gutes Beispiel. Heutzutage werden die Christen in den Zusammenhang von Kolonialismus und Zwangsbekehrung gestellt. Wegen der restriktiven Regierungspolitik haben wir zur Zeit keine Missionare aus dem Ausland bei uns. Aber wir können inzwischen schon viele Missionare in andere Länder schicken und setzen so die Missionstätigkeit fort. Auch aus meiner Diözese haben wir einige Leute in andere Länder geschickt, damit sie eine Erfahrung in einer anderen Kultur machen. Das weitet den Horizont und sie bekommen damit eine weitere Vision der Welt und des Lebens.


Herausforderungen der Diözese

Die Hauptherausforderung der Diözese besteht darin, in der jetzigen Globalisierung, mit ihrem Konsumdruck und der Säkularisierung, die Menschen zu begleiten. Denn durch die veränderte Situation wird es für die Religionen schwieriger. Da geht es darum, dass wir bei der Modernisierung mitmachen wollen und dabei den Menschen helfen, ihre Religion und ihren Glauben zu behalten.

Wegen ihrer Erziehung gehen vor allem die Jugendlichen auf Arbeitssuche, es gibt viel Migration. Die jungen Menschen sind dann von ihren Familien getrennt. Damit verlieren sie ihre Familienbeziehungen und die Traditionen. Wie kann man ihnen helfen, die Familien zusammen zu halten und ihre Werte zu bewahren?

Eine weitere Herausforderung besteht darin, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich zu überbrücken. Durch die Industrialisierung wachsen diese Gegensätze. Wir kümmern uns um die Armen, das ist unser Auftrag, und wir tun das besonders durch die Erziehung, weil sie die Menschen frei macht. Damit werden die Menschen auch zu guten Bürgern. Unser Anliegen besteht darin, ihren Glauben auf eine Vernunftbasis zu stellen, damit er nicht oberflächlich wird und eine Lebensgrundlage bleibt.

In diesem Jahr feiern wir die 50 Jahre der Diözese. Dazu wollen wir eine Bibel in jede Familie bringen, vielleicht ein Neues Testament für jede Person, um die Menschen in ihrem Glauben zu stärken.

Christian Tauchner SVD