Einander kennen und mögen lernen

27. Apr 2015

Pater Hans Ettl SVD und Dechant Pater Matthias Felber SVD berichteten bei einem gut besuchten Vortrag über die Neugründung der „Pfarre zum Göttlichen Wort“ im 10. Wiener Gemeindebezirk

„Wir haben einander kennen- und mögengelernt!“ Mit diesen Worten fasste Dechant Pater Matthias Felber bei einem gut besuchten Vortrag im Missionshaus St. Gabriel unter dem Motto „Visionen erden“ jenen jahrelangen Prozess zusammen, der zur Bildung der neuen Pfarre „Zum Göttlichen Wort“ im 10. Wiener Gemeindebezirk führte. Zusammen mit Pater Hans Ettl, dem von der Erzdiözese ernannten Prozessbegleiter, erzählte er von diesem konkreten Beispiel des Prozesses zur Erneuerung der Strukturen in der Erzdiözese Wien.

Die Chemie stimmte bald
Für Pater Hans Ettl kam am 4. Juli 2013 der Auftrag zur Bildung einer „Pfarre neu“ aus den bisherigen Pfarren „Zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit“ in der Alxingergasse, „St. Johann Evangelist“ am Keplerplatz und „Hl. Familie“ am Puchsbaumplatz nicht überraschend. Denn die Pfarre „Zu Allerheiligsten Dreifaltigkeit“, wo er Pfarrer war, hatte immer mehr an Mitgliedern verloren. Sie war vor vielen Jahrzehnten von der Pfarre „St. Johann Evangelist“ abgetrennt worden, und nun war es ein Gebot der Stunde, wieder den Kontakt mit anderen Pfarreien zu suchen, um durch Synergien bei pastoralen Aktivitäten und in der Verwaltung die Zukunft der Gemeinde zu sichern. Mit den pfarrlich Verantwortlichen am Keplerplatz und Puchsbaumplatz „stimmte bald die Chemie“, und auch die Ordensleitung der Steyler Missionare gab grünes Licht dazu, sich in Wien 10 verstärkt zu engagieren. „Wir Steyler Missionare sehen in Favoriten viele missionarische Herausforderungen“, erklärte Pater Ettl und nannte als konkrete Beispiele das Sonnwendviertel am Wiener Hauptbahnhof mit 5000 neuen Wohnungen sowie die vielen Migranten und Angehörigen anderer Religionen. „Hier können wir Steyler Missionare etwas im Sinn unseres Charismas entwickeln“, sagte er zuversichtlich. 

Gebetsabende und viele Treffen
Pater Felber berichtete, dass als Erstes nach dem Einlangen des Projektauftrages ein monatlicher gemeinsamer Gebetsabend initiiert wurde. Der Prozess sollte vom Gebet begleitet sein. Zu einem ersten Gemeindeabend im Oktober 2013, wo über die anstehenden Veränderungen informiert wurde, kamen 125 interessierte Angehörige der drei Pfarren. Dort gab es schon eine Abstimmung über einen neuen Pfarrnamen: „Pfarre zum Göttlichen Wort“ setze sich durch. Im Lauf der fast schon 2 Jahre seit dem Projektauftrag wurde eine ganze Reihe pfarrübergreifender Gruppen gebildet, wo die pfarrlich aktiven Leute einander besser kennen lernten und gemeinsame Ideen für verschiedene seelsorgliche oder administrative Bereiche entwickelten: Kinderpastoral, Firmvorbereitung, Jugendpastoral, Pfarrcaritas, Liturgie, Familienpastoral, Jüngerschaftsschulung, Seelsorge im Sonnwendviertel, etc. Konzepte für die Finanzen, die Nutzung der Räume und die Gemeindepastoral wurden entwickelt, koordiniert von einem „12er-Kreis“ mit Vertretern von Hauptamtlichen und Pfarrgemeinderatsmitgliedern aus allen drei Pfarren. 

Kommunikation und Klausuren
Ganz wesentlich war auch die Kommunikation über den Prozess. Die erste gemeinsame zweitägige Klausur der drei Pfarrgemeinderäte im Mai 2014 war ein Motivationsschub. Das Kennen- und Mögenlernen geschah beim Finden eines Leitsatzes für die Pfarre - „Damit sie das Leben haben, und es in Fülle haben“ (Joh 10,10) – sowie beim Finden eines Namens für das gemeinsame Pfarrblatt und beim Erarbeiten konkreter gemeinsamer Aktionen wie z.B. ein Schutzengelfest. Bei einer zweiten, diesmal eintägigen Klausur im Februar 2015 wurde die rechtliche Basis für die „Pfarre neu“ gelegt: Die Pfarre „St. Johann Evangelist“ besteht rechtlich weiter. Ihr zugeordnet sind die Gemeinden „Hl. Familie“ und „Zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit“, wo die Pfarrbüros als „Gemeindebüros“ erhalten bleiben. Endgültig entschieden wurde bei dieser Klausur auch über den Pfarrnamen, das Datum des Patroziniums, die Pfarrkirche und das Pfarrbüro, die Zusammensetzung des neuen Pfarrgemeinderates, das Pfarrsiegel sowie über das Datum der Errichtung der neuen Pfarre: 1. Juni 2015. Ein Team von Hauptamtlichen, bestehend aus 4 Steyler Missionaren und zwei Pastoralassistenten, wird zusammen mit vielen engagierten Leuten, die über bisherige Pfarrgrenzen hinweg zusammengewachsen sind, das Erarbeitete in die Praxis umsetzen. 

Fragen, Antworten und neue Fragen
Nach dem Vortag gab es manche - auch kritische – Anfragen, wie: War nicht zu viel Zeitdruck? Antwort: Ja, der Druck war schon spürbar, aber dadurch hat sich auch etwas bewegt. Frage: Ist das nicht eine Zumutung für Priester, jetzt zusammen wohnen zu sollen? Antwort: Ordensleute wie die Steyler Missionare leben in Gemeinschaften, für sie passt das gut. Frage: Wurde nicht über die Köpfe der Leute hinweg entschieden? Antwort: Die Entscheidung hatte die Diözesanleitung getroffen. Es lag an uns, das Beste daraus zu machen. Und das haben wir gemeinsam versucht.
Nach Ende der Diskussion im Plenum wurde in vielen kleinen Gruppen noch rege weiter diskutiert. Das Thema bewegte, denn viele Anwesende wussten, dass Ähnliches auch auf sie zukommt. Kann es gelingen, die Vision der Diözesanleitung zu erden? Oder sind alternative Wege angesagt, damit Kirche auch in Zukunft im Nahbereich der Menschen präsent ist?

Franz Helm SVD