Ein kecker Weg

18. Mär 2015

Pfarrer Helmut Schüller berichtet bei einem Vortrag im Missionshaus St. Gabriel über den Einsatz für das Überleben von kirchlichen Gemeinden vor Ort

Einen „kecken Weg“ nennt Pfarrer Helmut Schüller die Entscheidung seiner Pfarre Propstdorf, sich gegen den Umstrukturierungsprozess in der Erzdiözese Wien zu stellen und der Kirchenleitung konkrete Alternativen zu einer Eingliederung in eine riesige „Pfarre neu“ im westlichen Marchfeld vorzuschlagen. „Wir haben das schriftlich beim Dechant und beim Bischofsvikar deponiert, und da wir keine Antwort erhalten haben, werten wir es als Zustimmung und machen weiter.“ Konkret angestrebt werde in Propstdorf eine Lösung, die auch in anderen Teilen der Erzdiözese Wien und vor allem in der Diözese Linz schon länger praktiziert und durch can. 517 des Kirchenrechts abgedeckt sei. Der Bischof könne in Ermangelung eines Pfarrers auch ein Team von sogenannten „Laien“ mit der Leitung der Pfarre betrauen. Das Team besteht aus getauften und gefirmten ChristInnen, die bereit und fähig sind Verantwortung zu übernehmen. Ein Priester wäre dann als Pfarrmoderator nur noch für die Spendung der für ihn reservierten Sakramente, vor allem für das Vorstehen bei der Eucharistie, zuständig. Die Leitung, Koordination und Administration des kirchlichen Lebens würde aber von den „Laien“ wahrgenommen. Für Helmut Schüller würde das einer Pfarre weiter ermöglichen, Kirche vor Ort zu sein und im Sinn des 2. Vatikanischen Konzils „Communio“ zu leben. Dazu brauche es unbedingt Überschaubarkeit, persönlichen Beziehungen, Kenntnis der Lebensrealität der Menschen und die Fähigkeit, den Glauben und die Sakramente mit dem Alltag zu verbinden. 

Gr0ßpfarren sind keine Lösung
Vor den dicht gedrängten Zuhörern im Pilgersaal des Missionshauses St. Gabriel macht Pfarrer Schüller mit drastischen Beispielen deutlich, wie bedrohlich die Situation ist und wie wenig die Umstrukturierung hin zu größeren Räumen eine passende Antwort auf das Problem des Priestermangels sein kann. In manchen Gegenden der Welt gäbe es keine Präsenz der Kirche mehr, weil die Zeichen der Zeit nicht erkannt und falsche Wege beschritten wurden. Die pastorale Situation in der Großstadt Wien sei deshalb so schwierig, weil sie ein Erbe des ausgehenden 19. und angehenden 20. Jahrhunderts sei, als Großpfarreien mit bis zu 100.000 Einwohnern geschaffen wurden, die keine Brücken zum konkreten Leben der zugewanderten Arbeiterfamilien schlagen konnten. Die Entfremdung zwischen weiten Teilen der Bevölkerung und der Kirche habe hier ihren Ursprung. Auch jüngste Erfahrungen in Deutschland, wo es seit ca. 15 Jahren Großraumpfarren gibt, würden gegen Pfarrzusammenlegungen sprechen. Dort seien die ehrenamtlich in den Gemeinden engagierten Laien permanent überfordert, u.a. weil es nun zu viele Kommunikationsebenen gäbe. Auch die Priester würden ausbrennen, nicht weil sie zu viel Arbeit haben, sondern weil sie keine Zeit mehr für das Eigentliche ihrer Berufung, die Seelsorge, hätten. „Wenn jedes Gespräch mit dem Pfarrer eingeleitet wird mit: ‚Ich weiß, Sie haben wenig Zeit…‘, dann ist das das Ende der Fahnenstange“, gibt Helmut Schüller zu bedenken. Darüber hinaus käme es in solchen Großraumpfarren zu einem gänzlichen Verlust des Kontaktes zu den sogenannten „Fernstehenden“, was ihre endgültige Abwendung von der Kirche zur Folge hat. Pfarrer Schüller mahnt: „Kann man das befürworten? Sie jetzt verlieren und dann durch aufwändige Missions-Aktionen wieder gewinnen wollen?“

Fragen, was die Gemeinden brauchen
Den „kecken Weg“ der Pfarre Propstdorf, eine Leitung der Pfarre durch ein Team von „Laien“ anzustreben, sieht Helmut Schüller nicht nur durch can. 517 des Kirchenrechts abgedeckt. Er sieht darin auch eine Rückbesinnung auf die Urkirche. Die exegetische Forschung belege, dass es damals verschiedene Gemeindeordnungen und Modelle der Leitung gegeben habe. Die Frage sei gewesen, was Gemeinden brauchen und wie Gemeindeleitung wahrgenommen werden könnte. Zuerst entstanden Gemeindeordnungen, dann erst das Amt im heutigen Verständnis. Mittlerweile würde einseitig das Amt betont und die die Gläubigen seien reine Empfänger. Es sei höchste Zeit, wieder bei der Urkirche anzuknüpfen und das zur Priorität zu machen, was die Gemeinden zum Leben brauchen. 

Grundrechte für Gläubige
In der Diskussion war die große Sorge der Zuhörer um das Überleben der Gemeinden und die Präsenz der Kirche vor Ort zu spüren. Pfarrer Helmut Schüller schien vielen aus der Seele zu sprechen. Auch dann, als er darauf hinwies, dass es höchste Zeit sei, von Grundrechten der Gläubigen in der Kirche zu sprechen und diese auch einzufordern. Viele befänden sich heute in einer Art Bewusstseinsspaltung: Als Bürger leben sie in einer Gesellschaft, die von Demokratie und Gewaltentrennung bestimmt ist. Bei der Katholischen Kirche handle es sich der institutionellen Verfassung nach aber um eine absolute Monarchie, die keine Gewaltentrennung und auch keine Kontrollmechanismen kenne. 

Ermutigung und weitere Informationen
Am Ende des spannenden Abends stand die Einsicht im Raum, dass sich Gemeinden selbst um ihre Zukunft bemühen, sich über ihren Weg klar werden und diesen auch einfordern müssen. Das zutiefst kirchliche und gläubige Engagement Helmut Schüllers und die von ihm vermittelten Informationen und Erfahrungen waren eine große Ermutigung dazu.
Zum Schluss wurde der nächste Vortrag in der Reihe „Visionen erden“ angekündigt, der am 21. April um 19:30 im Missionshaus St. Gabriel stattfinden wird. Dechant Pater Matthias Felber SVD und Pater Hans Ettl SVD sprechen zum Thema: Der Weg zur Pfarre neu. Die Neugründung der „Pfarre zum Göttlichen Wort“ in Wien 10.