"Dank Euch allen für die herzliche Aufnahme!" - Ausführlicher Bericht zum Papstbesuch in Oies

14. Aug 2008

Augenzeuge Pater Sepp Hollweck SVD schildert den Papstbesuch in Oies - Am Dienstag, 5. August 2008, besuchte Papst Benedikt XVI. im Rahmen seines privaten Urlaubs, den er in Brixen/ Südtirol verbrachte, das Geburtshaus des heiligen Steyler Chinamissionars Josef Freinademetz im Weiler Oies, Gemeinde Abtei/Badia im Gadertal. Auf den Tag genau 133 Jahre zuvor hatte Josef Freinademetz seine erste hl. Messe in seiner Heimatgemeinde gefeiert.

Da der Besuch des Papstes erst tags zuvor bekannt gegeben wurde, stand die Gemeindeverwaltung von Abtei/Badia vor einer immensen Herausforderung. Dass alles reibungslos ablief und es in dem engen Gebirgstal zu keinem größeren Verkehrschaos kam, ist wohl auch der Erfahrung zu verdanken, die man im Skiweltcup gesammelt hat. Ein Großaufgebot von Feuerwehrleuten, Carabinieri und Polizei riegelte schon am Abend zuvor die Zufahrtsstraßen nach Oies ab. Am Tag selbst wimmelte es rund um das Geburtshaus und das Pilgerzentrum von staatlichen und vatikanischen Sicherheitsbeamten. - Das Kirchenoberhaupt gehört in diesen Zeiten des internationalen Terrors zu den gefährdetsten Personen der ganzen Welt.

 

Obwohl der Besuch erst für 17 Uhr angesagt war, sicherten sich schon um Mittag Hunderte einen Platz an den Absperrungen. Am Ende waren es dann laut Carabinieri zwischen vier- und fünftausend Leute. - Nicht auszudenken, wie viele gekommen wären, wenn der Besuchstermin langfristiger angekündigt worden wäre.

 

Kurz nach 17 Uhr war es dann so weit: Ein erster Hubschrauber brachte als Vorhut Bischof Wilhelm Egger von Bozen-Brixen und seinen Sekretär, ein zweiter ein paar Minuten später den Heiligen Vater zusammen mit seinem Bruder Georg und seinem Privatsekretär Msgr. Georg Gänswein. Für die paar hundert Meter hinunter zum Geburtshaus brauchte Benedikt XVI. allerdings mehr als eine halbe Stunde, da er es sich nicht nehmen ließ, die Leute auf beiden Seiten der engen Bergstraße zu grüßen und unzählige Hände zu schütteln. Vor dem Geburtshaus hieß ihn dann der Hausherr, P. Pire Irsara SVD, nach ein paar Worten in Deutsch auch in seiner ladinischen Muttersprache willkommen. Schmunzelnd quittierte das der Papst mit einem spanischen "Muchos gracias!"

 

Die nächste halbe Stunde brachte für den Heiligen Vater etwas Ruhe: Begleitet von P. Irsara konnte er zusammen mit seinem Bruder ungestört die Räumlichkeiten des Geburtshauses besichtigen und im sogenannten "Primiziantenzimmer"  wo Josef Freinademetz als Neupriester logiert hatte - eine kleine Stärkung zu sich nehmen. Dabei erzählte er von seinen Kontakten mit den Steyler Missionaren, insbesondere mit dem ehemaligen Generalsuperior P. Johannes Schütte, den er während des Zweiten Vatikanischen Konzils kennen und schätzen gelernt hat. Über den hl. Josef Freinademetz selbst zeigte sich Papst Benedikt gut informiert. - Er hatte als Kardinal auch an der Heiligsprechung teilgenommen. - Seine Frage, warum Freinademetz ausgerechnet "Steyler" geworden ist, konnte ihm P. Irsara allerdings auch nicht beantworten. Bevor er wieder aufbrach, schrieb der Papst noch ins Gästebuch: "Möge der Herr auf die Fürbitte des heiligen Josef Freinademetz viele geistliche Berufungen schenken und China immer mehr dem Glauben an Jesus Christus öffnen."

 

Vor dem Haus wurde inzwischen die Spannung immer größer. Die Musikkapelle von Abtei in ihren farbenfrohen Trachten kündigte schließlich das erneute Erscheinen des Heiligen Vaters an. Freudestrahlende Gesichter und wieder schier unzählige Hände begleiteten den Papst die Treppen hinunter in die kleine Kapelle, dann widmete er sich auf liebevolle Weise den behinderten Kindern, die mit ihren Eltern auf ihn gewartet hatten. Vor der Kirche des Pilgerzentrums schließlich wartete eine kleine Gruppe von Steyler Missionaren auf ihn, angeführt von Generalrat P. Estanislau Chindecasse, der den Generalsuperior vertrat.

 

"Im Namen aller Steyler Missionare in den fünf Kontinenten, besonders derer der Italienischen Provinz und derer, die derzeit in China arbeiten," begrüßte P. Giancarlo Girardi, der Generalprokurator der Steyler Missionare aus Rom, den Heiligen Vater "an diesem Ort, an dem die Wiege des heiligen Josef Freinademetz stand, der gut 29 Jahre lang das Wort Gottes in China verkündete, ohne jemals wieder in diese seine Heimat zurückzukehren, die er so sehr liebte und nach der er soviel Heimweh hatte." "Wir wissen sehr wohl", fuhr P. Girardi fort, "wie sehr Ihnen das chinesische Volk und die Situation der Kirche in China am Herzen liegen. Wir sind uns sicher, dass uns unser heiliger Josef Freinademetz, der ein Chinese unter den Chinesen werden wollte, sterben wie ein Chinese und auch noch im Tod bei den Chinesen bleiben wollte, bei der Erfüllung unseres Traumes helfen wird, dass sich die große chinesische Nation erneut der Frohbotschaft Christi öffnet."

 

In seiner in Italienisch frei vorgetragenen Ansprache dankte der Papst Gott dafür, "dass er uns diesen großen Heiligen, Josef Freinademetz, geschenkt hat, der uns den Weg des Lebens zeigt und auch ein Zeichen für die Zukunft der Kirche ist." Dann ging auch er auf China ein, das "im politischen, wirtschaftlichen, aber auch geistigen Leben immer wichtiger wird". Es sei wichtig, dass sich diese große Nation dem Evangelium öffne. "Der heilige Josef Freinademetz zeigt uns, dass der Glaube für keine Kultur und für kein Volk eine Entfremdung bedeutet, weil alle Kulturen Christus erwarten und vom Herrn nicht zerstört werden, sondern vielmehr in ihm zu ihrer Reife gelangen." Zum Schluss dankte der Papst allen für den herzlichen Empfang, der ihm anschaulich zeige, "dass die Kirche auch heute lebendig ist und der Glaube eine Freude ist, die uns eint und auf den Wegen des Lebens leitet."

 

Nach dem Segen bekam noch eine kleine Gruppe von unmittelbaren Nachbarn und Nachkommen der Familie Freinademetz, sowie der Künstler Lois Irsara, der den Heiligen sooft schon dargestellt hat, Gelegenheit, den Heiligen Vater ebenso persönlich zu grüßen wie einige lokale Honoratioren. Die 89-jährige Emma Frenademez rührte die persönliche Begegnung mit dem Heiligen Vater so sehr, dass sie meinte, jetzt in Ruhe sterben zu können.

 

Beim Hinausgehen bedankte sich der Papst noch einmal mit einem "Vergelt's Gott!" bei allen, die nach Oies gekommen waren. Eine schwarze Limousine mit der Nummerntafel "SCV 1" (Stato della Città del Vaticano) brachte ihn und seinen leicht gehbehinderten Bruder Georg zurück zum Hubschrauber. Damit endete der "historische Tag für Oies", wie eine Südtiroler Zeitung tags darauf titelte.

P. Sepp Hollweck SVD, Nina Pertagnol