Alte Bögen im neuen Steyl

17. Aug 2010

Steyl/ Niederlande - Das Klosterdorf Steyl vervollständigt sich wieder. Neben dem kürzlich wiedereröffneten Eingangsbereichs des Missionsmuseums, erstrahlt auch Alt- St. Gregor wieder in neuem Glanz. Pater Manfred Krause, Rektor des Missionshauses St. Michael, führt durch die neuen, alten Veränderungen im denkmalgeschützten Klosterdorf.

Die Maas fließt gemächlich zwischen den grünen Feldern und den roten Backsteinhäusern daher. Das Rattern der Kette, die die kleine blaue Fähre von Ufer zu Ufer leitet, klingt leise im Hintergrund. Überall blühen Blumen und zwitschern Vögel. Im Klosterdorf Steyl ist der Sommer eingekehrt. Aber nicht nur die Gärten und Felder, durch die ich jetzt mit Pater Krause schlendere, auch so manche Gebäude "blühen" nach langer Zeit wieder auf.

 

"Der Geruch von verbranntem Holz"
Vor zwei Jahren glich ein Teil von Steyl statt dem Blumenmeer, in dem wir jetzt stehen, eher einem Trümmerfeld. Am 10. April 2008 legte ein psychisch kranker Mann Feuer. Alt- St. Gregor brannte fast vollständig aus. Große Teile der umliegenden Gebäude wurden von Löschwasser massiv beschädigt. "Ich hörte die Feuerwehr und dachte, die Brandmelder hätten mal wieder Fehlalarm ausgelöst. Dann schaute ich aus dem Fenster und sah Alt- St.Gregor in Flammen stehen. Das war schrecklich", erinnert sich Manfred Krause beim Blick auf das frisch gedeckte Gebäude.

 

Der Wiederaufbau - Ein Projekt mit internationaler Beteiligung
Wir gehen über den kleinen sandigen Platz mit ein paar Baugeräten auf Alt- St.Gregor zu. Es dauert über ein halbes Jahr bis sich die zuständigen niederländischen Behörden, die Versicherung und die Steyler Missionare einig sind, was mit den ausgebrannten Gebäuden passieren soll. "Das Problem ist, dass das Klosterdorf Steyl ein Nationaldenkmal ist. Es dürfen also so gut wie keine Veränderungen an den denkmalgeschützten Gebäuden vorgenommen werden. Das erschwert die Sache natürlich", erklärt Pater Krause "Außerdem gibt es nur bei einem einheitlichen Konzept für Alt- und Neu- St.Gregor eine Förderung von Land und Provinz."

 

Zwei Gebäude - Ein Konzept
Von dem sandigen Platz gehen wir noch über einen grasbewachsenen Trampelpfad, bis wir vor einer unscheinbaren schwarzen Tür stehen: der Eingang von Alt- St.Gregor. Als wir dann durch den kleinen Raum mit der Wendeltreppe in den Hauptteil des Gebäudes gehen, erzählt Pater Krause von dem Zufall, durch den alte Strukturen des Hauses freigelegt wurden: "Über den eingezogenen, niedrigen Decken entdeckten wir gewölbte, hohe Decken mit Bögen verziert, unter dem kaputten Linoleumboden fanden wir kunstvoll gestaltete, bunte Steinböden. Das sah so toll aus, dass wir beschlossen haben, die Gebäude vollständig zu sanieren und im ursprünglichen Stil wieder aufzubauen." Die Sanierung ist nun fast abgeschlossen: Aus den dunklen, kleinen Räumen ohne Heizung sind helle große Säle mit hohen Decken und großen Fenstern geworden. Die kleinen Klosterzellen sind zu großen Räumen zusammengelegt und eine Heizung ist installiert worden. Über eine Holztreppe erreichen wir den Dachboden, der wieder in seine ausladende Ursprungsform gebracht wurde. "Als ich das erste Mal das frisch sanierte Alt- St.Gregor betrat, war ich unglaublich überrascht. Ich wusste gar nicht, wie viel Platz wir hier haben", erzählt Krause "Irgendwie war es Glück im Unglück, dass der Brand Alt- St. Gregor getroffen hat - So hatten wir die Chance aus einer Ruine mit morschen Wänden ein richtiges Schmuckstück zu machen!"  

Zu dem Neuaufbau gehört aber noch mehr: Wir treten durch die schwarze Tür wieder nach draußen in die Sonne. Zwischen dem graubraunen Gebäude auf der einen, und wild wuchernden Bäumen und Sträuchern auf der anderen Seite gehen wir weiter über den feuchten Trampelpfad. Nur 50 Meter weiter stehen wir dann vor der Tür von Neu- St.Gregor.  

Auch dieses Gebäude soll im gleichen Stil renoviert und mit Alt- St.Gregor, so wie es auch ursprünglich mal war, zusammengelegt werden. "Jedes der beiden Gebäude strahlt so viel Energie aus, wenn die dann zusammenkommt, kann es nur toll werden. Immerhin haben in diesen Gebäuden der Hl. Arnold Janssen und die seligen Schwestern Helena Stollenwerk und Hendrina Stenmanns gelebt." , so Manfred Krause. "Die Kapellen unten in Neu- St.Gregor könnte man für Meditationen und Vorträge zusammenlegen. Auch die Oberkirche, bisher Bibliothek, könnte mit ihrer guten Akustik neu genutzt werden."

Als wir dann durch den Kreuzgang von Neu- St.Gregor in das Sterbezimmer von Arnold Janssen gehen, sprechen wir darüber, wie die Gebäude nach der Sanierung genutzt werden sollen.

 

Ein neues, lebendiges Ordensleben

Ganz klar ist das zwar noch nicht, aber es gab schon einige Anfragen. Eine Idee, an der sich viele Interessen beteiligen, ist, hier ein Spirituelles Zentrum und Bildungshaus einrichten, vor allem für niederländische Gäste. Menschen, die sowohl Ruhe, als auch Begegnung suchen, sollen hier zueinander finden.  

"Ein Traum wäre es, dass sich hier vielleicht auch eine neue Form von lebendigem Ordensleben entwickeln könnte, beispielsweise eine alternative geistliche Gemeinschaft: Zölibatäre leben mit Nicht- Zölibatären zusammen, vielleicht auch mit Ehepaaren, die in einer geistlichen Umgebung leben und sich austauschen wollen", so Krause. "Wie genau das Ergebnis unserer Suche aussehen wird, wissen wir zwar noch nicht, aber ich bin der festen Überzeugung, dass es nur eine Bereicherung für Steyl und sein Klosterleben sein kann."

 

Direkt nebenan: das Missionsmuseum
Wir verlassen Neu- St.Gregor wieder und laufen durch den Garten auf das Missionshaus St. Michael zu. Ein Bruder jätet Unkraut auf den kleinen Feldern rechts von uns. Die weiße Katze eines verstorbenen Mitbruders folgt uns über die Wiese bis wir links auf die geteerte Straße abbiegen. Das Missionshaus liegt hinter uns und wir stehen vor einem Gebäude mit drei großen Fenstern und noch größeren, gläsernen Fensterläden auf denen ein Schmetterling, eine Maske und eine Muschel abgebildet sind.

Einen, wenn auch kleineren Raum für Begegnung, haben die Steyler Missionare hier schon mit dem neuen Eingangsbereich des Missionsmuseums geschaffen. Da, wo vorher ein kleiner Kassenraum eingepfercht zwischen zwei Säulen im Dunkeln stand, ist jetzt ein großer heller Durchgang zum ständigen Ausstellungsraum geschaffen worden. Durch die neuen großen Fenster im Eingangsbereich scheint die Sonne auf die Tische, die sowohl für ein gemütliches Kaffeetrinken als auch als Arbeitsbereich für Schulklassen geeignet sind. Wir gehen an der Pforte rechts von uns und den Tischen mit den kleinen Vasen mit roten und weißen Blumen vorbei auf eine angelehnte Tür zu. Über den Raum, der sich dahinter verbirgt freut sich Manfred Krause besonders: "Es ist ja Insgesamt alles jetzt viel größer und einladender geworden. Aber besonders stolz sind wir auch auf den audiovisuellen Raum, der sich direkt hinter der Pforte anschließt: Hier kann man sich mit modernster Technik über das Wirken der Steyler Ordensfamilie informieren, besonders jüngere Besucher nehmen das Angebot gerne an", erzählt Krause beim Blick auf den großen Flachbildschirm, über den man per Knopfdruck einen Film über die Steyler in drei Sprachen abspielen kann.  

Der Hauptteil des Museums ist aber in alter Form geblieben. "Gott sei Dank sind die zahlreichen ausgestopften Tiere und die anderen Exponate aus aller Welt weder vom Feuer noch vom Löschwasser in Mitleidenschaft gezogen worden. So findet jeder Besucher die kleinen Kostbarkeiten am gewohnten Platz, auch den berühmten Bären", sagt Pater Krause erleichtert während er mich durch den hinteren Raum des Museums, mit den vielen Tieren aus aller Welt, führt.

 

"Mit Volldampf voraus"
Nicht nur im Missionsmuseum gibt es viel über die Geschichte der Steyler Missionare zu sehen. Ein weiteres Projekt wird ab Juni besonders die kleinen Besucher des Klosterdorfes begeistern. Dafür gehen wir quer durch die Gärten: Vorbei an frisch gepflanzten Blumen und einem verfallenen, gläsernen Gewächshaus. Nach einem kleinen Schlenker durch den grünen Steingarten, vorbei an einem kleinen Teich, ragt der, kunstvoll mit Pflanzen gestaltete, Herz-Jesu-Hügel vor uns in den blauen Himmel. Wir klettern aber nicht hinauf, sondern bleiben vor einer großen Holztür stehen. Dahinter verbirgt sich eine große Halle mit überdimensionalen Heiligenbildern an der Wand, und einer riesigen über 100 Jahre alten Dampfmaschine, die die Klosterdruckerei anfangs mit Strom versorgten. Diese wurde von einem Verein in liebevoller Kleinarbeit wieder aufgearbeitet. "Unser Klosterdorf lebte viele Jahrzehnte lang quasi autark, also versorgte sich selbst. Die Dampfmaschine ist ein Teil der Geschichte unseres Lebens in Steyl und ich finde es toll, dass sie jetzt für die Besucher zugänglich gemacht wird", erzählt Pater Krause. Die Maschinenhallen wurden direkt mit auf Vordermann gebracht, kleine Kuriositäten wie Setzkästen für den Druck, die Schriften beinhalten, die Kinder und Jugendliche heute nur aus den Schreibprogrammen von Computern kennen, aufbereitet und auch der beeindruckende Schornstein soll von unten zu bewundern sein. "Alles ist soweit fertig, jetzt muss nur noch die schöne Maschine zum Laufen gebracht werden und Steyl ist wieder um eine Attraktion reicher", freut sich Manfred Krause.
"Aber", fügt er noch hinzu, als wir durch das knöchelhohe Gras wieder zum Missionshaus zurück gehen ,"den besonderen Charme von Steyl macht aber das vielfältige Ordensleben und die Begegnung mit vielen unterschiedlichen Menschen aus. Auch wenn das Dorf ein Denkmal ist, möchten wir vermeiden, dass es 'nur' ein Museum ist."

Severina Bartonitschek