Die Sache mit der Ehefrau

16. Sep 2010

Mexiko/ Deutschland - Als Missionar auf Zeit in der Pfarrei San Antonio in Mexiko-Stadt. Ein Bericht.

"Junger Mann, sieht man mit diesen Augen genauso wie mit unseren?" Diese ungewöhnliche Frage wurde mir tatsächlich gestellt. Seit über drei Wochen bin ich bereits als Missionar auf Zeit in der Pfarrei San Antonio in Mexiko-Stadt und vor einigen Tagen war mein europäisches Aussehen, vor allem meine blauen Augen, einmal wieder Auslöser für Erstaunen und ein kleines Gespräch mit den Pfarreimitgliedern. Das Interesse der Menschen ist sehr groß und so fühlt man sich sofort sehr gut aufgehoben. Manchmal ist man sogar geneigt die Mentalität des Gastlandes "so viel schöner" als zu Hause zu empfinden, doch so einfach ist die Begegnung der Kulturen dann auch nicht.  

So erzählte ich den mexikanischen Damen von meiner baldigen Einsatzstelle im ca. 700 km entfernten, ländlichen Chiapas. Da diese Region als eine der schönsten Mexikos gilt, stieß meine Erzählung daraufhin auf noch mehr Begeisterung. Sogleich wurde mir ein wichtiger Rat mit auf den Weg gegeben: Ich solle mir doch von dort unbedingt eine Frau "mit nach Hause nehmen". Als ich daraufhin etwas irritiert in die Runde sah, erklärten sie mir, dass die Frauen in Chiapas ganz anders seien als die Frauen hier. Sie seien "muy guapas y bien trabajadoras", also sehr hübsch und gute Arbeiterinnen. Ja, im Gegensatz zu den aufmüpfigen Frauen der Stadt, würde mir eine hübsche Chiapana immer brav den Haushalt führen. Auch wenn ich schon etwas über das Verständnis von Geschlechterrollen in Mexiko gelesen hatte, versetzte mich dieses Gespräch ganz schön in Erstaunen. Dass jene Eigenschaften nun gerade nicht zu denen gehören, die ich einer perfekten Ehefrau zuschreiben würde, konnte ich leider nicht verständlich machen.  

Wer nun denkt dies sei nun eben die Sicht der älteren Generation liegt wohl falsch. Denn einige Tage später wurde mir das gleiche noch einmal erzählt, dieses Mal jedoch von einigen Mädchen meines Alters. Diese Erfahrung mit der mexikanischen Kultur war eine der ersten die bei mir auf Unverständnis stieß, und doch lerne ich etwas wichtiges daraus: Mit meinen fremden, europäischen Augen sieht man eben doch etwas anders, auch wenn dies wohl nichts mit der Augenfarbe zu tun hat. 

Simon Plentinger