Mit dem Hobel in der Hand

20. Jul 2010

Paraguay - Bevor Bruder Reinhold Schäfer aus dem saarländischen Mitlosheim ein Steyler Missionar wurde, machte er eine Schreinerlehre. In verschiedenen Ländern wirkte er seither als Möbelmacher für Einrichtungen des Missionsordens. Derzeit lebt und arbeitet er in Paraguay.

Bruder Reinhold Schäfer hat schon wieder Sägespäne in den Haaren. Und das, obwohl seine Werkstatt eine Absauge-Anlage hat. "Das hat sonst kaum ein Betrieb in Paraguay", hat er vorhin erklärt. "Während anderswo alles voller Späne liegt, ist bei uns alles sauber." Stolz hat er einen Knopf gedrückt und die dröhnende Abzugsmaschinerie in Gang gesetzt: Ein riesiges Saugrohr, das sich knapp unter der Hallendecke entlang schlängelt und mit jeder Maschine verbunden ist - mit der Formatkreissäge, der Fräsmaschine, der Bandschleifmaschine.

Firmennamen wie "Altendorf" künden von der Herkunft des Maschinenparks: Die riesigen Geräte stammen aus Deutschland, wo sie vor über 40 Jahren eingepackt worden sind und - dem Hilfswerk Adveniat sei Dank - ihren Weg nach Südamerika gefunden haben. "Die haben schon einiges hinter sich, aber tun immer noch gute Dienste", sagt Bruder Schäfer und legt ein neues Brett in den Führungswagen. Das Sägeblatt kreischt, Späne sprühen. Aus einem Brett sind zwei geworden.  

Schäfer unterbricht seine Arbeit nicht, denn es gibt viel zu tun. 150 normale Stühle, 60 Schreibstühle und 70 Tische wollen fertig werden, bestimmt für ein katechetisches Zentrum in Bellavista und eine Schule nahe der brasilianischen Grenze. Der Steyler Missionar hinkt dem Zeitplan hinterher, schuld ist der Umzug. Der Umzug! Bruder Schäfer schüttelt den Kopf, wenn er daran denkt. Was für ein Unterfangen!  

Im vergangenen Jahr hatte die Provinzleitung beschlossen, ihre Schreinerei von Encarnacion nach Curuguaty zu verlegen, um sie dort der Landwirtschaftschule der Steyler Missionare anzugliedern. Maschinen, Arbeitsgeräte und Holzvorräte wurden auf Paletten gepackt und mit einem Gabelstapler auf einen Sattelschlepper geladen. Fünf Mal musste dieser vollbepackt die 600 Kilometer lange Strecke zurücklegen. "Wir haben meistens tagsüber geladen und sind dann die ganze Nacht gefahren, weil es dann kühler ist und die Straßen nicht so voll sind", erinnert sich Bruder Schäfer. Eine ganz schöne Strapaze, die den Ordensmann viel Kraft und Nerven gekostet hat. Bruder Schäfer ist 74 Jahre alt.  

Doch inzwischen geht es ihm an seiner neuen Wirkungsstätte immer besser - jetzt, wo alles an seinem Platz steht und Bruder Schäfer sein Reich wieder für sich hat. Immer öfter gehen ihm auch die Schüler der Landwirtschaftsschule zur Hand. "Die sind sehr zuvorkommend, schleifen und hobeln, stapeln mir das Holz, bringen die Abfälle weg - und machen das genauso gut wie der beste Geselle", sagt Bruder Schäfer. Und er muss es wissen, denn Gesellen hatte er viele in seinem Leben.

Die ersten, als er mit 28 Jahren - vier Jahre nach seiner Meisterprüfung - die Schreinerei des Steyler Missionshauses in St. Wendel übernahm. "Ich habe mich damals sehr geehrt gefühlt, war aber auch sehr angespannt", erinnert er sich. "Das war schon eine große Verantwortung." Zunächst kümmerte er sich um die Einrichtung des Altenheims, später um die Möbel für das Internat. "Wenn ich heute auf Heimaturlaub in St. Wendel bin, entdecke ich auf Schritt und Tritt immer noch Sachen von mir", sagt Bruder Schäfer. "Ob im Wendelinussaal, in der Kapelle oder auf dem Krankenstock."  

1987 ging Bruder Schäfer zum ersten Mal nach Paraguay, zunächst für fünf Jahre. "Wir haben damals unter anderem 1.200 Stühle für den Speisesaal des nationalen Elektrizitätswerks gebaut, aber auch sehr viel für die SOS-Kinderdörfer in Hohenau und Asunción", erzählt Bruder Schäfer. Von der Leitung der SOS-Kinderdörfer bekam er ein ganz besonderes Lob. "Die Stühle von Reinholdo halten, die anderen nicht", so hieß es. Grund: Bruder Schäfer setzte - im Gegensatz zu den paraguayischen Schreinern - auf Dübel- statt auf Zapfenverbindungen. "Da wackelte nichts", erinnert sich Schäfer.  

1992 kehrte der Steyler Missionar nach Deutschland zurück, doch lange hielt es ihn nicht in der Heimat. Schäfer ging nach Russland, wo er in einer Schreinerei abermals Lehrlinge anlernte. "Wir haben Kirchenbänke für die Kathedrale von Minsk gemacht, Fenster und Türen für ein Schwesternhaus, den Bischofsthron und die Sedilien für die Kathedrale von Irkutsk", erzählt Schäfer. "Doch es war wegen der Zentralverwaltungswirtschaft gar nicht so leicht, offiziell an Material zu kommen. Spanplatten etwa waren rar. Da konnte man nicht einfach in die Holzhandlung gehen, da musste man Beziehungen haben."

Nach getaner Aufbauarbeit ging Schäfer wieder nach St. Wendel und - nach Auflösung der dortigen Schreinerei - 2006 zurück nach Paraguay. In einem Alter, in dem sich andere zur Ruhe setzen, sägt, schraubt und dübelt er hier unermüdlich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Landwirtschaftsschule von Curuguaty - von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends. "Ich werde hier noch gebraucht", sagt der Missionar nicht ohne Stolz und legt das nächste Brett in die Führung der Säge.  

Draußen dämmert es bereits, die Schüler holen die Tiere von der Weide. Nicht mehr lange, und Bruder Schäfer wird die Raspel zur Seite legen, das Licht ausknipsen und zum Abendessen hinüber ins Haupthaus gehen - nur um später, zu nächtlicher Stunde, wieder in die Werkstatt zu kommen. "In meinem Zimmer steht die Hitze oft, manchmal wird es bis zu 35 Grad warm", sagt er. "Aber das Büro der Schreinerei ist klimatisiert, da schlafe ich viel besser." Selbst nachts, bemerkt er schmunzelnd, könne er nicht von seiner Werkstatt lassen. Bruder Reinhold Schäfer schneidet das nächste Brett zu. Und hat schon wieder Sägespäne in den Haaren.

Markus Frädrich