Urlaub für die Seele

14. Jul 2011

Im Frühjahr und Herbst bieten die Steyler Missionare Reisen nach Mallorca an, bei denen ein abwechslungsreiches Ausflugsprogramm mit Gelegenheiten zur Besinnung in alten Kirchen und Klöstern verknüpft wird. „Urlaub für die Seele“: Markus Frädrich hat eine Steyler Reisegruppe auf die Baleareninsel begleitet.

„Wahnsinn“, sagt Bärbel Schneider. „Hier würde ich am liebsten bleiben.“ Knapp 300 Meter unter ihr tost das Meer. Wind und Wetter haben den Felswänden bizarre Formen verliehen, hier, am Cap Formentor. Gigantische Steilküste, blauer Himmel, warme Frühlingssonne: Bärbel Schneider atmet tief durch. Schöner hätte sie sich ihr Urlaubsfinale nicht vorstellen können. Und ihren 50. Geburtstag.


Der Tag fing schon perfekt an. Bereits am Frühstücksbuffet im Hotel kamen die ersten Gratulationen, im Bus sang ihr die gesamte Reisegruppe ein Ständchen. Dann, nach kurvenreicher Fahrt durchs Tramuntana-Gebirge, kehrte man im Kloster Lluc ein, wo „La Morentea“, die Königin der Berge verehrt wird. Dem „Salve“ des Kinderchores folgte ein Gottesdienst, dann ein Picknick mit mallorquinischem Rotwein unter freiem Himmel. Schließlich die Fahrt zur Aussichtsplattform Es Colomer am nördlichsten Punkt der Baleareninsel. „Es geht mir einfach wunderbar“, sagt Bärbel Schneider. „Ich wollte den Tag ganz ohne Verpflichtungen genießen, und genau das konnte ich.“


Ursprünglich wollte sie sich allein anmelden, zum „Urlaub für die Seele“ der Steyler Missionare. Doch als sie ihrer Mutter von ihren Plänen erzählte, beschlossen die beiden Frauen aus Freigericht spontan, gemeinsam nach Mallorca zu reisen. „Ich war lange Zeit daheim, mein Mann war sehr krank“, erzählt Schneider. Inzwischen sei sie verwitwet, fange nach einer Zeit der Trauer wieder an, das Leben zu genießen. Das Reiseangebot der Steyler kam da gerade recht.


Wohl auch, weil das Programm ausgetretene Inselpfade meidet – und auf geistige Entspannung setzt. „Unsere Mallorcareisen sollen mehr sein als bloßer Tourismus“, sagt Pater Anton Gessler. Der Steyler Missionar hat es sich einige Meter weiter auf einer Steinmauer bequem gemacht. Eine Woche lang hat Gessler die rund dreißigköpfige Gruppe seelsorgerisch begleitet – vom Morgengebet im Bus bis zur abendlichen Gesprächsrunde, in der er von seiner Zeit als Missionar im Kongo berichtet hat. „Zusätzlich haben wir jeden Tag in einer anderen Kirche oder Kapelle auf der Insel die heilige Messe gefeiert, etwa gemeinsam mit der deutschsprachigen Gemeinde Mallorcas, im Kloster La Real oder in der Pfarrkirche von Paguera. Als Missionar habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, mit Freuden die Botschaft Christi zu verkündigen – überall auf der Welt. Auch hier auf Mallorca.“


Ein Konzept, das ankam. „Die Mischung hat mir sehr gut gefallen“, sagt Jutta Schnabel aus Alzey, ihr Mann Karl-Joseph nickt. „Für mich ist die katholische Kirche Heimat. Zeiten der Einkehr mit Urlaub zu verbinden, mit einer schönen Landschaft und einer netten Gesellschaft – das war für mich schon sehr reizvoll.“ Johannes Levermann aus Menden pflichtet ihr bei. „Die tägliche heilige Messe war eine ganz wunderbare Sache“, sagt er. „Gut gefallen hat meiner Frau und mir aber auch die Gruppe. Wir waren vor einiger Zeit in Israel, gemeinsam mit Mitreisenden, die rein gar nichts mit dem am Hut hatten, was dort vor 2.000 Jahren geschehen ist. Wir sind bloß von Ort zu Ort gehetzt. Das ist hier völlig anders, wir haben schnell Kontakt gefunden.“


Ein Stück weiter lässt Maria Starklauf aus Pettstadt den beeindruckenden Ausblick auf die Halbinsel Cap Formentor auf sich wirken. In den vergangenen Jahren hat die Alleinstehende ihre kranken Eltern gepflegt, der Vater litt an Parkinson und Alzheimer, die Mutter an Lungenkrebs. Sogar ihren Beruf musste sie dafür aufgeben, an Urlaub war nicht zu denken. Inzwischen sind beide Eltern verstorben – und Maria Starklauf kehrt langsam ins Leben zurück. „Ich lerne, wieder Urlaub zu machen“, sagt sie. „Langsam traue ich es mir wieder zu.“


Am Ende jedes Urlaubstages auf Mallorca hatte sie sich vorgenommen, fünf Dinge festzuhalten, die ihr gut getan haben. Oft hätte sie weit mehr finden können, sagt sie. „Die Mandelbäume, die auf der Insel in unglaublicher Zahl blühen. Eine einsame Kapelle, zu der wir aufgestiegen sind. Der Naturpark der Cala Mondragó mit seinen idyllischen Buchten. Valldemossa, wo auf Kacheln an den Hauswänden Szenen aus dem Leben der heiligen Catalina dargestellt werden. Das alles fand ich unglaublich beeindruckend.“
Erika Scheffers möchte man am liebsten gar nicht ansprechen, so versunken blickt sie aufs Meer hinaus. „Das ist heute wie ein Geschenk“, sagt die Düsseldorferin und lächelt. „Dieser Ausblick! Nein, so schön habe ich es mir hier nicht vorgestellt.“ Dabei war sie es, die ihren Mann zu der Reise nach Mallorca überredet hat. Für Norbert Scheffers stand „Mallorca“ lange Zeit für Massentourismus und überfüllte Strände. Nur weil das Urlaubsangebot von einem Missionsorden stammte, ließ er sich auf die Reise ein – und sieht die Insel inzwischen mit völlig anderen Augen. „Wie eine Oase“ beeindruckt ihn allein der finale Rastplatz. Auf der Speicherkarte seiner Kamera ist inzwischen kaum noch Platz – trotzdem kann er die Finger nicht vom Auslöser lassen.


Auch dem Ehepaar Brigitte und Josef Eßer aus Mönchengladbach, das am zweiten Reisetag seinen 40. Hochzeitstag gefeiert hat, fällt es schwer, nach einer Woche Mallorca einen einzigen Höhepunkt zu benennen. An die Fahrten vorbei an knorrigen Olivenbäumen, schroffen Felsformationen und kunstvollen Trockensteinmauern werden sie sich noch genauso lange erinnern wie an die leuchtende Fensterrosette in der gewaltigen Kathedrale von Palma, die duftende Ensaimada in Mallorcas ältester Chocolateria oder den Gottesdienst im Kloster Sant Honorat, dem Gründungsort der Cursillio-Bewegung auf dem Klosterberg Randa. „Unsere Reisebegleiterin Frau Bemm hat uns an Orte geführt, die man als normaler Tourist nicht zu sehen bekommt“, sagt Brigitte Eßer. „Man hatte wirklich den Eindruck, sie kennt jeden Stein und jede Pflanze auf der Insel. Besonders gut gefallen hat mir neben den stimmungsvollen Gottesdiensten der Besuch auf einem herrschaftlichen Landsitz aus dem 18. Jahrhundert, in dem wir die gut erhaltene Einrichtung bestaunt und einen leckeren Imbiss zu uns genommen haben.“


Und noch eine Erkenntnis bleibt den Eßers: Mallorca ist nicht gleich Ballermann. „Die Insel hat so viele traumhaft schöne Ecken, Küsten und Buchten“, bilanziert Brigitte Eßer. „Abseits der Touristenzentren kann man ganz wunderbar zur Ruhe kommen. Den Ballermann habe ich als junge Frau schon nicht gebraucht. Heute brauche ich ihn erst recht nicht mehr.

Markus Frädrich