Mission – Menschen begegnen

07. Nov 2011

„Und wenn du das nächste Mal kommst, Simon, machen wir die ganze Wiese hier vom Müll sauber!“, sagt der zehnjährige Jesús zu mir, während er mit seinen Freunden die Plastiktüte mit alten Flaschen füllt, die auf dem Weg liegen.

Irgendwie scheint da was bei den Kindern hängengeblieben zu sein, als ich ihnen beim Baden am Fluss erklärt habe warum sie ihre Becher und Flaschen nicht einfach dort wegschmeißen sollen. – Es ist einer der Momente in den ich plötzlich begreife, dass es gut ist, dass ich dort bin, bei diesen Menschen, bei den Ch’oles in Südmexiko, dass es einen Sinn macht.


Ein Jahr habe ich dort verbacht, in Chiapas, dem ärmsten Bundesstaat des Landes, habe dort mitgelebt, mitgebetet, mitgearbeitet. Während in Mexiko alle mehr oder weniger wissen was ich meine, wenn ich mich als „Misionero láico“, als Laienmissionar vorstelle, kommt es mir in Deutschland heute immer noch schwer über die Lippen zu sagen ich war ein Jahr „Missionar auf Zeit“. In unseren Ohren klingt das doch sehr fremd.


Klar, wir haben uns lange damit beschäftigt was das (heute) ist – „Mission“. In unserer neunmonatigen Vorbereitung mit den Steyler Missionaren war das oft Thema: Heute gehe es nicht mehr um „Missionierung“ hieß es da, wichtig sei der Dialog zwischen den Kulturen, Religionen und Konfessionen. Mission heißt gemeinsam Glauben feiern, Entwicklungsarbeit und Seelsorge zu verbinden und so gemeinsam Weltkirche sein. – Eine schöne Vorstellung. Deswegen habe ich gesagt, ja, das will ich machen. Ein Jahr mal ganz anders Leben, Lateinamerika noch besser kennenlernen, mein Spanisch noch ein bisschen aufbessern und in dieser Mission mitwirken.


Aber dann steh ich da, in Mexiko, in einer „comunidad indigena“, einer indigenen Dorfgemeinschaft. Zunächst mal ist es ein tolles Abenteuer zu sehen, wie die Menschen dort leben. Reis und Bohnen mit einer Tortilla statt mit einem Löffel zu essen, in einer Hängematte zu schlafen und den Menschen in einer völlig fremnden Sprache zuzuhören. Doch als die Leute dann von mir, diesem neuen, jungen, weißen „Pater“ etwas von Gott hören wollen verschlägt es mir erst einmal die Sprache. Da weiß ich plötzlich überhaupt nicht mehr was ich sagen soll und frage mich ernsthaft was denn jetzt eigentlich meine Mission ist? Dass ich eigentlich gar kein Priester werden will erkläre ich oft vergeblich. Und den Menschen etwas über Gott in ihrer, mir so fremden, Welt zu erzählen? Das geht doch gar nicht, das kann ich gar nicht, das traue ich mich nicht.


Doch dann beginne ich Menschen zu begegnen: Wie dem kleinen Jesús, oder dem kleinen Omar der mich gar noch nicht kennt, mit dem ich kein Wort in derselben Sprache wechseln kann und der mir trotzdem nicht mehr von der Seite weicht. Den Jugendlichen in unserem Dorf, mit denen ich Musik mache, im Chor und im Gitarrenkurs oder den Alten denen wir die Krankenkomunion bringen. Und so fange ich an zu verstehen, das Mission vielleicht vor allem bedeutet, Menschen zu begegnen, bei ihnen zu sein, zu reden, zuzuhören – Gemeinsam singen, Fußballspielen und auch Gottesdienst zu feiern. So entdecke ich für mich, dass Mission vorallem eine Begegnung zwischen Menschen ist, überall auf der Welt.


Wenn das so ist, was ist dann die Aufgabe als Missionar, als MaZ, als junger Mensch in einem missionarischen Dienst? Dann denke ich, ist es gar nicht mehr so wichtig ist welches biblische Thema ich nun mit einer Jugendgruppe bearbeite oder ob mir persönlich die fremden religiösen Ausdrucksformen oder die strengen moralischen Vorstellungen liegen oder gefallen. Sondern ich merke, dass ich vor allem ein offenes Ohr brauche, so wie die Menschen mir ihre Tür öffnen, dass mich zu ihnen aufmache und mich von ihnen empfangen lasse, dass ich einfach da bin und demjenigen, dem ich begegne, ein Lächeln schenke.


Und dann gibt es das eigentlich nicht „auf Zeit“. Dann findet das überall auf der Welt statt, in jeder Begegnung. Dann ist es eine Aufgabe, eine Mission für das ganze Leben – Für jeden von uns.


Simon Plentinger