Missionsbestimmung: Europa

23. Okt 2015

Seit dem Konsens von Roscommon 1990 ist für die Steyler auch Europa Ziel ihrer missionarischen Arbeit. Jetzt trafen sich die europäischen Provinziale der Steyler wieder dort und reflektierten den Beschluss von vor 25 Jahren.

Im Oktober 1990 kamen die europäischen Provinziale der Steyler Missionare in Roscommon, Irland zusammen, um über die neuen Herausforderung nach dem Zusammenbruch des Kommunismus´ zu beraten. Ihre Antwort: Europa ist „Missionsland“. Seit dem sind nicht nur Steyler Missionare, vor allem aus Asien und Afrika bei uns aktiv, auch das Selbstverständnis der Ordensgemeinschaft hat sich mit ihnen gewandelt.


Als die Oberen der Steyler in Roscommon zusammentrafen, sahen sie zum einen neue Chancen für die Mission in Osteuropa. Sie erkannten aber auch, dass mit zunehmender Entchristlichung der westlichen Gesellschaften und mit einer wachsenden Multikulturalität missionarische Situationen in ganz Europa gegeben waren: „Diese unterschiedlichen Entwicklungen führten dazu, dass man sagte: Im Grunde ist Europa auch ein Missionskontinent. Und wir können nicht mehr unterscheiden zwischen Europa als ‚echter‘ Kirche und dem Rest der Welt als den abhängigen Missionen: Europa ist Mission“, beschreibt Pater Martin Üffing, Missionswissenschaftler und Rektor des Missionspriesterseminars der Steyler Missionare in Sankt August, die Lage 1990.


Pater Martin Üffing
Pater Martin Üffing

Gefragt: die Menschlichkeit der Missionare aus Übersee

25 Jahre später hat der Konsens von Roscommon unübersehbare Folgen. 260 Steyler Missionare aus Übersee arbeiten zurzeit in Europa, etwa 70 von ihnen in Deutschland. Ihr Einsatzgebiet liegt in den Gemeinden, in der Pastoral, etwa mit fremdsprachigen Gemeinden in Deutschland, aber auch in der wissenschaftlichen Arbeit. Der Lebensstandard in Europa mag zumeist höher sein im Vergleich zu Einsatzorten in Asien und Afrika, doch stehen die Missionare aus Übersee hierzulande vor ganz neuen Hürden: „Es gibt viele Orte in Europa, und Deutschland ist ein Beispiel dafür, in denen Religion eine immer geringere Rolle in der Öffentlichkeit spielt. Das macht die missionarischen Situationen in Europa zu besonderen Herausforderungen: Wie erreiche ich Menschen, die gar nichts von Religion wollen?“, weiß Pater Üffing.


Von ihren Gemeinden werden die neuen Priester aus der Ferne geschätzt. Auch weil sie etwas mitbringen, „etwas ganz Einfaches, Grundlegendes: Viele Mitbrüder aus Afrika und Asien kommen in Gemeinden gut an, weil für sie ihre Menschlichkeit im Vordergrund steht. Weil sie häufig gute Fähigkeiten haben, auf Menschen zuzugehen, auf sie einzugehen. Ich denke, dass es genau das ist, wonach viele Menschen suchen“, so die Beobachtung von Pater Üffing.


Roscommon: Anstoß für etwas wirklich Neues

Vom 27.September bis 3. Oktober trafen sich die europäischen Provinziale der Steyler Missionare wieder in Roscommon, Irland, und reflektierten die Entscheidung, Europa zum Missionsgebiet zu erklären, die vor 25 Jahren an diesem Ort getroffen wurde.
Vom 27.September bis 3. Oktober trafen sich die europäischen Provinziale der Steyler Missionare wieder in Roscommon, Irland, und reflektierten die Entscheidung, Europa zum Missionsgebiet zu erklären, die vor 25 Jahren an diesem Ort getroffen wurde.


1994 haben die Steyler begonnen, den Konsens von Roscommon mit den ersten Missionsbestimmungen für Europa umzusetzen. Mitbrüder kamen zur Fortsetzung ihrer Ausbildung oder direkt für ihren Einsatz nach Europa. Dieser Prozess wird begleitet von Diskussionen um das Missionsverständnis im gesamten Orden: „Die Veränderungen werden bei Generalkapiteln im Rom sichtbar. Man hat sich wirklich verabschiedet von einem geographischen Bild von Mission. Wir sprechen von missionarischen Situationen“, so Pater Üffing. In dieser Zeit wird auch der Begriff des „Prophetischen Dialogs“ entwickelt: „Es geht darum, Menschen im Dialog zu begegnen, mit Menschen im Austausch zu sein, zu verstehen, was denkt der andere, was glaubt der andere. Mission ist dann nicht mehr, den anderen zu bekehren, sondern eine dialogische Angelegenheit, bei der es aus beiden Seiten zu Bekehrungen kommen mag.“


Anfang dieses Monats trafen sich die europäischen Provinziale der Steyler wieder in Roscommon. Dort reflektierte man auch den Beschluss von vor 25 Jahren. Pater Üffing, der die Tage der Reflexion geleitet hat, zieht Bilanz: „Ich sehe in Roscommon einen Anstoß, wirklich etwas Neues zu versuchen. Das bedeutet nicht, dass das Alte gescheitert wäre, sondern dass wir uns neu orientieren müssen. Denn vor dieser Aufgabe steht die Kirche und das Christentun generell: Wie schaffen wir es heute, mit Menschen in Kontakt zu sein, um sie auf die immer aktuelle Bedeutung des Evangeliums aufmerksam zu machen? Der vor 25 Jahren begonnene Prozess soll weitergeführt werden, so dass wir immer besser verstehen, wie wir heute an ‚Gottes Mission‘ in Europa teilnehmen können. Seit Roscommon hat sich einiges getan und jetzt geht es um einige mutige Schritte in Richtung Zukunft.“

Wolfgang Finke