Wo die Bibel lebendig wird: Lectio Divina
03. Dez 2015
Mit der dogmatischen Konstitution „Dei Verbum“ hat das II. Vatikanum der Bibel als Quelle der Offenbarung einen hohen Rang eingeräumt. Wie Laien mit Hilfe der Lectio Divina, der geistlichen Schriftlesung der Bibel, ein Gespräch mit Gott aufnehmen können, erklärt Pater Ralf Huning im Video.
In diesen Wochen feiern wir das 50-Jährige Jubiläum der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei Verbum“. Am 18. November 1965 wurde sie in der letzten Sitzungsperiode des 2. Vatikanischen Konzils als eines der wichtigsten und auch meist diskutierten Dokumente durch Papst Paul VI. verkündet. „Dei Verbum“ bestimmt die unterschiedlichen Quellen der Offenbarung – Lehramt, Tradition und Heilige Schrift – und ihr Verhältnis zueinander neu. Der Bibellektüre wird dabei ein großer Wert für die ganze Kirche zugemessen.
Die Bibel ist deshalb nicht nur ein Buch für Experten, für Wissenschaftler und Theologen, sondern vor allem ist sie das Buch des Volkes Gottes, sagt Pater Ralf Huning. Der Steyler Missionar und Bibelwissenschaftler erläutert in einem Video, wie Leserinnen und Leser in der „Lectio Divina“ (übersetzt etwa: „auf Gott ausgerichtetes Lesen“) einen persönlichen Zugang zu Gottes Wort mit Hilfe der Bibel erlangen können. Ziel ist es zu erkennen, dass die Bibel etwas mit dem eigenen Leben zu tun hat – und dass Gott auch heute zu uns Menschen spricht.
Die Lectio Divina ist eine sehr alte Form der Schriftlesung, die aus dem betrachtenden und betenden Lesen und Hören auf das Wort lebt und so Impulse für das eigene Leben zu gewinnen sucht. Sie kann individuell oder gemeinschaftlich geübt werden. Neben dem gründlichen, achtsamen Lesen des Textes gehören zur Lectio Divina als weitere Schritte die Meditation, das Gebet und die Kontemplation. So soll sie hin zu einer achtsamen Lebensweise führen.
Diese spirituelle Leseform wurde lange Zeit vor allem in Klöstern geübt, seit dem letzten Jahrhundert aber haben immer mehr Frauen und Männern jenseits von Klostermauern die Lectio Divina für sich entdeckt. Die an den deutschen Kontext angepasste Methode, mit der Pater Huning in seinen Bibelgruppen arbeitet, wurde vom Katholischen Bibelwerk entwickelt und wird inzwischen von vielen Gruppen im deutschen Sprachraum angewendet.
Pater Dr. Ralf Huning wurde 1967 in Melle im Bistum Osnabrück geboren. 1988 ist er in den Orden der Steyler Missionare eingetreten und hat 1999 die ewige Profess abgelegt. 2004 wurde er mit einer bibelwissenschaftlichen Arbeit zum Dr. phil. promoviert. Von 2004-2013 war er Koordinator für die Bibelpastoral der Steyler Missionare in Deutschland. Seit 2013 leitet Pater Huning als Provinzial die Deutsche Provinz.