Der Ruf der Wildnis

23. Mai 2011

Unendliche Weite, unberührte Wildnis: Kein Wunder, dass Pater Marek Marciniak das Städtchen Kasane als „schönsten Ort auf der Erde“ bezeichnet. Im Vierländereck von Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe und an der nordöstlichen Grenze des Chobe-Nationalparks gelegen, hat es gerade mal 7.000 Einwohner.

"Hier leben tatsächlich mehr Elefanten als Leute", sagt der Steyler Missionar, den man hier nur "Mareko" ruft, auf Setswana, einer der großen Sprachen Südafrikas. "Katholiken gibt es hier nur eine Handvoll, unsere Gemeinschaft ist sehr instabil. Aber gerade das macht meine Arbeit hier so reizvoll und herausfordernd."


Der gebürtige Pole kam vor 20 Jahren nach Botswana, nachdem er 1981 den Steyler Missionaren beigetreten war und in Polen und im österreichischen St. Gabriel studiert hatte. "Ich wollte immer in der Erstevangelisierung tätig sein, und genau das ist heute meine Aufgabe", erzählt Pater Marciniak. Zunächst arbeitete er in Maun, nahe des berühmten Okavango Deltas, 2009 wurde er nach Kasane versetzt, wo die Zeichen noch ganz auf Anfang stehen. Das spornt an, findet Marciniak. Und krempelt unermüdlich die Arme hoch.


Auch, wenn es darum geht, die Zukunft der Missionsarbeit in Botswana zu sichern. "Realistisch gesehen merken wir, dass in Europa langsam die Generation der großzügigen Wohltäter ausstirbt", sagt er. "Uns steht immer weniger Geld zur Verfügung, während der Bedarf an Mitteln wächst und wächst." Man müsste einen Weg finden, selbst für eine gewisse Finanzsicherheit sorgen zu können, dachte sich Marciniak vor einigen Jahren. Und plötzlich kam ihm die Idee mit den Safaris.


"Seither richten wir für interessierte Touristen Safari-Touren durch die atemberaubende Landschaft unserer Region aus", erklärt der 50-jährige Missionar. "Manchmal organisieren wir die Touren selbst, meist aber vermitteln wir an Veranstalter unseres Vertrauens, die uns dann zehn bis 15 Prozent ihres Ertrags überlassen. Dieses Geld kommt in voller Höhe unserer Missionsarbeit zu Gute. Wir bauen damit Kirchen, Kapellen und Missionszentren – und führen Sozialprojekte durch."


Eine Safari, schwärmt Marciniak, könne ein wunderbares, lehrreiches und emotionales Erlebnis sein. "Es gibt sehr unterschiedliche Möglichkeiten, in Botswana auf Safari zu gehen“, erklärt er. Die beliebteste sei die "mobile" Safari, bei der die Teilnehmer mit speziellen Allrad-Fahrzeugen mehrere Tage lang durch die Wildnis fahren und dabei hunderte von Kilometern zurücklegen. "Wir übernachten dabei auf speziellen Campingplätzen in Zwei-Personen-Zelten, in Reisebetten mit Matratzen und Kissen", erzählt er. "Der unverstellte Blick auf den nächtlichen Sternenhimmel, in dem man die Milchstraße klar erkennen kann, ist atemberaubend. Und anschließend ist es ein ganz besonderes Erlebnis, mitten im Busch zu schlafen und den nächtlichen Geräuschen der afrikanischen Wildnis zu lauschen."


Tagsüber bekommen die Safari-Teilnehmer eine Vielzahl der heimischen Tierarten zu Gesicht, darunter Steinböcke und Zebras, Elefanten und Büffel, Krokodile und Leoparden. "Wir versuchen, jede Safari nach den Interessen der Teilnehmer zu planen", sagt Pater Marciniak. "Wir bieten Wasser-Safaris auf dem Kuando-Fluss an, mit eher kulturell interessierten Teilnehmern besuchen wir Buschsiedlungen der Okavango oder Kalahari. Am Ende vieler Safaris steht ein Ausflug zu den berühmten Victoriafällen an der Grenze zu Simbabwe. 1989 sind sie zum Weltkulturerbe erklärt worden."


Safari-Kritikern versichert der Steyler Missionar, dass die von ihm vermittelten Ausflüge in die Wildnis professionell und verantwortungsbewusst organisiert seien. Man benutze nur offizielle Wege durch die Reservate und bringe der Natur den höchsten Respekt entgegen. "Unsere Führer wissen genau, wie man sich den Tieren nähert, ohne sie zu belästigen", sagt er. "Auf unseren Touren konnten wir schon Löwen, Geparden und afrikanische Wildhunden bei der Jagd zu sehen, ohne dass sich die Tiere an unserer Präsenz gestört hätten." In der Tat gebe es europäische Großveranstalter, die mit Touristen durch die Steppe hasteten und immense Müllberge hinterließen. "Wir dagegen sind überzeugt, dass eine Safari eine langsame und behutsame Erfahrung sein muss", sagt Marciniak. "Man sollte sich für so eine Tour zehn Tage, am besten zwei Wochen Zeit nehmen und sich auf die Erfahrung einheimischer Führer verlassen."


Dann, so der Missionar, könne eine Safari sogar zu einer geistlichen Erfahrung werden. "Die unberührte und ursprüngliche Natur der Wildnis bringt in vielen Teilnehmern eine spirituelle Saite zum Schwingen", sagt Marciniak. "Mit entsprechend interessierten Teilnehmern nehmen wir die Schönheit der uns umgebenden Schöpfung zum Anlass, Gott für seine Weisheit und Macht zu danken. Wir halten während der Safari zum Gebet inne - es gibt in Botswana viele Orte, die zu einem Moment der Stille und Meditation einladen, etwa die Salzwüste von Makgadikgadi. Und am abendlichen Lagerfeuer geben wir Gelegenheit zur Diskussion über die spirituellen Aspekte unseres Lebens. Bei seltenen Gelegenheiten feiern wir mitten im Busch die heilige Messe."


Bislang haben vorwiegend Priester und Ordensschwestern an den Safaris teilgenommen. "Sie alle waren tief beeindruckt", berichtet Pater Marciniak. "Viele haben uns gesagt, ihre Erwartungen seien sogar noch übertroffen worden." Der Missionar will künftig vermehrt aber auch ganz normale Urlauber ansprechen, die an einer Safari interessiert sind. "Viele Touristen buchen über große, internationale Veranstalter, deren Profit im Westen verbleibt statt der Wirtschaft in Botswana zu Gute zu kommen", so Marciniak. "Bucht man dagegen über uns, schafft man mit demselben Betrag lokale Arbeitsplätze und gibt gleichzeitig eine Spende für unsere Missionsarbeit ab. Ohne Mehrkosten unterstützt man unsere Arbeit mit der Lokalbevölkerung, etwa das Projekt "Bana Ba Ditlou", in dem wir uns um Kinder aus Kasane kümmern, deren Eltern an AIDS gestorben sind, die auf der Straße leben müssen oder nicht genug Nahrung und Kleidung haben."


Bana Ba Ditlou: Auf Setswana heißt dieses Wort "Elefantenkinder". Die Missionare haben es gewählt, weil es in Kasane die größten Elefantenherden der Welt gibt. "Allein um sie zu sehen, ist der Norden Botswanas eine Reise wert", sagt Pater Marciniak. "Wer die Naturwunder der Region erleben und gleichzeitig ihre Bewohner unterstützen will, ist bei uns jederzeit herzlich willkommen."

Markus Frädrich