2. Adventsonntag (A)

Predigtimpuls

Der Vorläufer – ein großer Wegweiser?!

1. Lesung: Jes 11,1-10
2. Lesung: Röm 15,4-9
Evangelium: Mt 3,1-12

Das Vorprogramm – mehr als Stimmungsmache?

Es gibt kaum eine Großveranstaltung, die direkt beginnt. Schon den Fußballspielen der ersten Mannschaft geht das Match zwischen den sogenannten zweiten Mannschaften voraus. Ehe der angekündigte Künstler, die Band oder ein Superstar auftritt, spielt oder singt und seine Vorführung beginnt, gibt es ein Vorprogramm. Andere Gruppen oder noch nicht so bekannte Bands übernehmen das „Warming up“.

Sie heizen die Stimmung an und lassen es so richtig abgehen. Sie stimmen auf das ein, was dann als Hauptereignis kommt und angekündigt ist. Und selbst die Auftritte von Politikern im Wahlkampf haben ein Vorprogramm, den einen oder anderen Redner, die eine oder andere kommunale Politikerin, welche die Chance und die Zeit nutzen, sich zu präsentieren, Menschen anzusprechen, Themen anzureißen und für den folgenden Großen bereit zu machen. Wenn der Hauptakteur dann da ist, dann ist oft sehr rasch vergessen, was vorher war. Dann gilt alle Aufmerksamkeit und alle Neugier, alles Gespannt-Sein nur noch dem- oder derjenigen, weshalb man eigentlich gekommen ist, weite Wege auf sich nahm, Eintritt bezahlt hat, Wind und Wetter aushält…

So ein Vorprogramm ist nicht einfach. Da wird investiert. Denn die Vorbereitung und Hinführung zum Event, das Bereiten der Atmosphäre und das Herstellen entsprechender Stimmung ist unabdingbar für das Gelingen dessen, was danach dran ist und kommt.

Der Vorläufer – gar nicht unwichtig!

So ähnlich sehe ich auch die Figur Johannes des Täufers. Er ist das Vorprogramm Gottes; wenigstens deuten die neutestamentlichen Schriften ihn und sein Wirken in aller Regel so. Und er ist eine imposante Erscheinung. Sein Outfit, seine Kleidung erregt mindestens genauso Aufsehen, wie das, was man sich über seinen Lebensstil und seine Lebenspraxis erzählt. Interessant ist er, der da aus einer Priesterfamilie stammt, der so zeichenhaft lebt und kein Blatt vor den Mund nimmt. Er zieht die Massen an und lässt es nicht bei Worten, sondern taucht Menschen hinein in ihre Lebensgeschichte. Er zeigt ihnen, wo sie vor ihrer Verantwortung abgetaucht sind.

Er konfrontiert die Geschichte ihres Lebens mit ihrem Versagen und mit ihrer Schuld. Er zeigt auf, wo sie sich ändern könnten und müssten. Und er weist sie darauf hin, wo sie gedankenlos und selbstsicher ihrer großen Berufung als Teil des Volkes Gottes nachhängen, aber längst nicht mehr entsprechend leben. Johannes nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt ihnen ins Gesicht, dass, wenn sie so weitermachen, nichts mehr von ihnen übrig bleibt. Dann geht es in den Untergang, und sie werden erleben müssen, dass vieles wie Spreu ist, ohne Wert, ohne Bedeutung, ohne Liebe und ohne Relevanz.

Obwohl Johannes schonungslos mit den Menschen umgeht und ihnen deutlich ihr Versagen vor Augen hält, lassen sie sich von ihm ansprechen. Denn sie spüren irgendetwas in sich. Irgend eine Unzufriedenheit treibt die Menschen um, eine Sehnsucht, ein „Es wenigstens wieder einmal gesagt bekommen!“, ein Wissen darum, dass uns eigentlich „längst der Kopf gewaschen gehört“, eine Erkenntnis, dass es so nicht weiter geht und unser Verhalten nicht richtig ist. Aber solange alle so schwimmen, hat man auch nicht die Kraft, es anders zu tun.

Und diese Menschen begegnen Johannes. Sie lassen sich von ihm ansprechen und ins Gewissen reden. Sie lassen sich von ihm herausreißen aus ihrem Alltag und ihrer Geschäftigkeit, aus ihrer eingefahrenen, religiösen Praxis, aus der Fruchtlosigkeit frommen und weltlichen Tuns.

Johannes hat das Zeug zu einem Superstar. Aber er macht seine Hörerinnen und Hörer, seine Fans, die mit allen Wassern gewaschen sind, und die nun bei ihm die Umkehrtaufe empfangen haben, darauf aufmerksam, dass er das Vorprogramm ist für einen, bei dem es um Alles gehen wird, der „geistvolle“ Menschen will.

Johannes will Begeisterung auslösen für einen Gott, der ganz und gar überraschende Wege für seine Welt, für seine Menschen geht, und für den es sich lohnt, sich bereit zu machen und ganz Ohr zu werden, ihn mit wachen Sinnen und bereitem Herzen zu erwarten.

Wir als Vorläufer?!

Doch dieser Gott will immer wieder in unsere Welt kommen und seinen Geist aussenden, um zu verändern. Gottes Reich ist schon angebrochen, aber sein Aufbau wird immer wieder durch die Menschen unterbrochen, wenn sie in die alten Denkweisen von „ich zuerst und dann die anderen“, „Freund und Feind“ oder „die Reichen und die Armen“ verfallen. Da will Gott auch heute noch herausreißen und umbauen. Die Vision des Jesaja, wo die ganze Schöpfung friedlich beieinander wohnt, ist ein Zukunftsbild von dem, was Gott vorhat, wohin er uns befreien will. Doch auch dafür braucht er ein Vorprogramm, ein „Warming up“, ein „Einheizen und Vorbereiten“ auf das, was noch kommt.

Ich glaube, dass es unsere Berufung ist, lebendige „Hinweiser“ auf den zu sein, der da am Werk ist und die Welt umbauen will, der das Reich Gottes in die Verwirklichung ruft, Unterschiede und Feindbilder überwindet, der Wohlwollen und Zuneigung propagiert und die Welt anfüllen will mit Gotteserkenntnis, mit der Erfahrung von Gottes Liebe. Unser Verhalten soll einstehen für Gerechtigkeit und gegen das Übersehen der kleinen und scheinbar unbedeutenden Menschen. Unser Handeln soll Gewaltfreiheit propagieren und den Armen und Bedürftigen Hilfe zukommen lassen.
Gerade in unserer Gesellschaft wird das in Zukunft eine immer noch spannender werdende Geschichte. Ich denke, dass wir für all die bevorstehenden Umbauten im sozialen Netz, im gesellschaftlichen Gefüge, auch in der kirchlichen Landschaft ganz viel von dem Geist Gottes brauchen, der sich in Weisheit, Einsicht, Rat und Stärke, Erkenntnis und Ehrfurcht aus zeugt und uns anleitet.

Vorläuferinnen und Vorläufer dürfen wir sein, damit Menschen Geschmack finden am Anbruch dieses Reiches Gottes. Wir dürfen unsere Mitmenschen einstimmen auf einen grenzenlos liebenden Gott. Wir dürfen an eine Beziehung der Treue erinnern, die auch dann gilt, wenn wir untreu waren und Schuld auf uns geladen haben. Wir müssen mahnen, wenn die Menschheit weithin ohne Gottesbezug nicht nur in der Europäischen Verfassung, sondern im Lebensalltag dahin driftet.

Und was wird dann werden? – Ich denke, dass wir ein wenig in die Rolle des Johannes hineinrutschen und zum Zeichen werden können: von Gott gerufen, gesandt und aufgerichtet in einer Welt, die Halt und Orientierung sucht, weil sie in Gefahr ist, sich durch Manches in den Massenmedien verblöden zu lassen, sich durch Konsum zu betäuben und durch allerlei Ablenkung von den echten Fragen des Lebens fernzuhalten. Genauso wie vor lauter Festvorbereitung auf Weihnachten uns das Eigentliche von Gottes Menschwerdung verloren gehen kann, weil wir vor lauter Äußerlichkeiten uns nicht mehr bereiten für seine Ankunft bei und in mir.
Vielleicht sind wir – vor Ort – das unscheinbare Vorprogramm. Vielleicht sind wir das Werkzeug Gottes für sein Ankommen in der Welt und in den Herzen von Menschen, ausgelöst durch unser Wort und unser Handeln, durch unser Anders- Sein, durch unsere Liebe und das Ausstrahlen einer Hoffnung, dass das Reich Gottes, in dem die alten Grenzen überwunden sind, mitten unter uns anbrechen wird und versteckt schon da ist.

Es wäre schön, wenn aus unserem zaghaften „Ich könnte, ich sollte, ich müsste vielleicht!“ wirklich ein junger Trieb wachsen könnte und etwas würde, worauf Gottes Geist sich niederlassen, weiterbauen und die Welt und unser Leben verwandeln kann. ER jedenfalls wird jede Gelegenheit dafür nützen! Amen.

Pfr. Albert L. Miorin