Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria (H)

Predigtimpuls

Fest der gnadenvollen Berufung Mariens

1. Lesung: Gen 3,9-15.20
2. Lesung: Eph 1,3-6.11-12
Evangelium:  Lk 1,26-38

Erst im Laufe der frühen Jahrhunderte
Wollte man es tatsächlich riskieren, Straßenpassanten nach dem Sinn des heutigen Festes zu fragen: was es bedeute „unbefleckte Empfängnis Mariens“, müsste man sich auf diverse Kuriositäten, Albernheiten, gehobene Schultern oder auch auf Spott und Hinterlist einstellen. Doch bevor wir auf andere mit Fingern zeigen, sollten wir uns selber die Frage stellen und eine Antwort versuchen. – Und wenn wir dann uns selber auch nur mit Achselzucken antworten können und unser Unwissen eingestehen müssen, sollten wir nicht beschämt wegschauen, denn wir wären in guter Gesellschaft. In der Heiligen Schrift steht es so präzise auch nicht drin. Erst im Laufe der frühen Jahrhunderte lernte man vertieft zu verstehen, dass Gott uns, den Nachgeborenen, in Maria das gelungene Meisterstück seiner Schöpfung vorstellen wollte: ohne Makel, Kerben und Fehler, die neue Eva, die so durch Gottes Wunsch und Wille vom ersten Augenblick ihres Daseins an im Schoß der Mutter Anna, Mutter aller Lebendigen wurde.

Eine riskante Entscheidung
Maria selber wusste von dieser besonderen Berufung nichts, als sie noch als junges Mädchen in Nazareth den Alltäglichkeiten ihrer Zeit nachging. Sie lebte wie alle Frauen ihres Volkes mit der stillen Hoffnung auch einmal zu den Stammmüttern des Messias zu gehören. Bis der Gottesbote, den die Heilige Schrift Gabriel nennt, ihr in einem Gruß versteckt, die Botschaft brachte und sie grüßte: Gruß dir, Gnaden-volle. Maria ist erschreckt und fragt sich, was dieser Gruß wohl zu bedeuten habe. Sie fragt nach, bringt Bedenken ein, bekommt Antwort und sagt ja. Ein Ja, das ihr ganzes Leben verändern sollte und doch zur letztmöglichen Erfüllung ihrer fraulichen Sehnsucht führte. Ja, ich bin eine Dienerin des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast. Mit diesem Ja, eines jungen Mädchens in Nazareth, bricht
eine neue Zeit an, ändert die Welt ihren Lauf, beginnt die Vollendung der Schöpfung.

Ein „festlicher“ Lebenslauf
Neunhundert Jahre hat es gedauert, bis die Kirche sich der Tragweite bewusst gedrängt sieht, dieses Geheimnis zu feiern. In Konstantinopel beginnt der festliche Zug, kommt nach Sizilien und Italien und schließlich nach England. Hier wird das Geheimnis besonders gefördert und schon festlich gefeiert. Der heilige Anselm von Canterbury nimmt sich des Festgedankens besonders an. 1476, um einmal eine Jahreszahl zu nennen, führte es Papst Sixtus IV. für die ganze Kirche ein. Wieder dauerte es beinahe vierhundert Jahre, bis Papst Pius IX. 1854 das Geheimnis der gnaden-vollen Berufung Mariens zum verbindlichen Glaubenssatz erklärte mit den Worten: „Zur Ehre des dreifaltigen Gottes, zur Verherrlichung der jungfräulichen Gottesmutter und zum Wachstum des Glaubens verkündet Papst Pius IX. 1854 als zur Offenbarung Gottes gehörenden Lehre: Maria ist im ersten Augenblick ihres eigenen Lebens im Schoß ihrer Mutter durch ein einzigartiges Gnadengeschenk des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Erlösertat Jesu Christi, von jedem Makel der Erbsünde bewahrt geblieben.“

Und inwiefern betrifft das uns?
Und was hat das alles mit uns zu tun, mit mir und mit dir, mit den Menschen unserer Zeit? Wer durch eine hochdotierte Ausstellung geht, kommt an Glasvitrinen vorbei, in denen wertvolle Stücke kunstvoll ausgelegt sind. Wer staunend davor stehen bleibt und sich in die Preziosen vertieft, wird eine interessante Entdeckung machen.
Das Gesicht des Betrachters, das sich im Glas spiegelt, verbindet sich bildlich mit dem betrachteten Gegenstand. In Maria erleben wir unseren eigenen Heilsweg, den Gott mit uns geht, gehen will, gern gehen würde. Mit seiner Schöpferkraft rief er uns ins Leben, beschenkte uns mit der gnaden-vollen Wiedergeburt aus Wasser und dem Heiligen Geist in der Taufe, stärkt uns in den gnaden-vollen Zeichen der Sakramente und begegnet uns im Laufe unserer irdischen Pilgerfahrt immer wieder in Wort und glaubender Gemeinde, in der Feier von Tod und Auferstehung Jesu, zusammen mit den Frauen und den Aposteln im neuen Leben am Ostermorgen.

Nicht ohne meine Mutter
Spätestens jetzt können wir sie erkennen, unsere Mutter, eine aus unserer Mitte, von Gott gerufen, für uns bestellt, immer für uns da. Das macht Freude, sagt Gott, wenn man sein Geschenk wert gehalten sieht... Jetzt sollten die Menschen noch mehr Nutzen daraus ziehen, sagt Gott. Im Himmel haben sie eine Mutter, die ihnen mit den Augen folgt, mit ihren leiblichen Augen. Wenn die Menschen schlau wären, würden sie das ausnützen, sie dürften nicht mehr daran zweifeln, dass ich ihr nichts abschlagen kann, sie ist ja meine Mutter, sagt der Sohn Gottes, unser Freund und Bruder Jesus, der Christus.

P. Joachim Gloger SVD