Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria (H)

Predigtimpuls

Mit Maria das Misstrauen überwinden, um sich ganz dem Willen Gottes anzuvertrauen

1. Lesung: Gen 3,9-15.20
2. Lesung: Eph 1,3-6.11-12
Evangelium: Lk 1,26-38

 

Die Erbsünde ist eine Sünde, die von Generation zu Generation weitergereicht wird, weil sie der menschlichen Natur anhaftet. So ist sie eine Sünde, die man „miterhält“ und nicht eine, die man begeht. Die Lehre von der Erbsünde besagt, dass im Menschen neben dem Guten auch Böses veranlagt ist. Die menschliche Natur ist zwar nicht gänzlich verdorben, wohl aber in ihren natürlichen Kräften verletzt. Aufgrund dessen ist der Mensch der Verstandestrübung, dem Leiden und der Herrschaft des Todes unterworfen und zur Sünde geneigt.

Wenn wir auf diesem Hintergrund die Erzählung vom Sündenfall im Buch Genesis anschauen, woraus wir in der Lesung einen Abschnitt gehört haben, so können wir nachvollziehen, dass es sich dabei nicht um einen historischen Bericht eines irgendwann einmal in der Vergangenheit stattgefundenen Ereignisses handelt, sondern vielmehr um eine zeitlos gültige, typologische Darstellung menschlicher Grundverfasstheit. Sie will eine Deutungshilfe sein für die Beantwortung der Frage: Warum können wir Menschen nicht so glücklich leben, wie wir es uns eigentlich wünschen?

 

Adam und Eva, eine Geschichte von heute

Schuld daran sind nicht ein Adam und eine Eva, die in grauer Vorzeit etwas Schlimmes angestellt hätten, was wir heutigen Menschen dann immer noch ausbaden müssten. Es sind vielmehr die Adams und die Evas, die heute in uns leben, die es uns schwer machen. Die Ursünde ist das Misstrauen gegenüber dem Schöpfer und die Angst, zu kurz zu kommen. Sie steckt uns allen in den Knochen. In unserem Leben sind wir beständig herausgefordert, das Böse zu verwerfen und das Gute zu wählen. Nur mit der bewussten Anstrengung und der Unterstützung durch Gottes Geist können wir unserer eigenen inneren Einheit entgegengehen“ (vgl. GS 37,2). Was in der Geschichte erzählt wird, das passiert immer und immer wieder auch in unserem Leben. Schauen wir uns deshalb die Erzählung auf dem Hintergrund unserer eigenen Erfahrungen an: Zunächst geht es Adam und Eva gut; so wie Gott sie erschaffen hat, leben sie glücklich. Es stört sie nicht, dass Gott ihnen gebietet, vom Baum in der Mitte des Gartens nicht zu essen, denn es gibt ja genug andere Bäume mit ihren herrlichen Früchten. In dem Gebot erkennen sie vielmehr, wie sehr sich Gott um sie sorgt, denn er will sie dadurch vor dem Tod bewahren. Deshalb haben sie kein Problem, dieses Gebot, zu ihrem eigenen Wohl gegeben, zu respektieren.

 

Wenn unsere Gedanken uns das Schlechte schmackhaft machen wollen

Doch dann beginnen sich die Gedanken im Kopf weiter zu drehen. In der Gestalt einer Schlange treten in der Erzählung die Versuchungen des Menschen auf. Auch wir können erleben, wie solche Gedanken zwar einerseits durch äußere Reize angeregt werden, wie sie aber doch irgendwie in uns selbst drin stecken. Woher sie auch kommen mögen, sie bauen sich psychologisch sehr geschickt auf. Zunächst wird dem Gebot Gottes die Perspektive der Lebensbewahrung genommen, indem es als ein den Freiraum einschränkendes Verbot umgedeutet und überzogen wird: „Stimmt das wirklich, ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“ Dann wird die Aussage Gottes verdreht: „Geht es Gott wirklich darum, euch vor dem Tod zu bewahren, oder ist es nicht vielleicht vielmehr so, dass er die Klugheit und Erkenntnis nur für sich selbst behalten will?“ Und mit diesem Gedanken, dass Gott mit seinen Geboten dem Menschen etwas vorenthalten und ihn nur aufgrund von Machtinteressen klein halten könnte, beginnt es im Menschen zu gären. Es wachsen Misstrauen, Neid, Konkurrenzgefühl und Machtgelüste. Schließlich werden die Konsequenzen der Gebotsverletzung verharmlost und das Schlechte mit dem Guten vertauscht, indem der Mensch sich sagt: „Ganz bestimmt folgt nicht der Tod auf das Essen der Frucht vom Baum der Erkenntnis, sondern vielmehr die Klugheit und die Gabe, selbst Gutes von Bösem unterscheiden zu können.“

So greifen die Menschen nach den Früchten, die Gott nicht für sie vorgesehen hatte. Das erste, was daraufhin passiert, ist, dass sie ihre Nacktheit erkennen und nicht, wie sie gedacht hatten, dass sie wie Gott werden würden. Im Gegenteil, sie erkennen jetzt erst ihre eigene Unvollkommenheit, Schwachheit und Verletzlichkeit. Damit aber hält die Angst Einzug in die Beziehung zwischen Mensch und Gott, und der Kontakt wird grundlegend gestört: War der Mensch zuvor allezeit im Blickfeld Gottes, so muss Gott ihn nun suchen gehen. Der Mensch aber versteckt sich vor ihm, weil er um die eigene Erbärmlichkeit weiß. Von hier aus – so die Erzählung – nehmen alle Übel ihren Lauf: Unheil und Mühsal, Feindschaft und Schmerz, Ungleichgewicht in der Partnerschaft und Tod. Diesem Verhaltensmodell, das uns in Adam und Eva entgegentritt, unterliegen auch wir, weil wir Menschen sind.

 

Zacharias und Maria – Ähnliche Verheißung, gegensätzliche Reaktionen

Wie kommen wir nun dazu zu sagen, dass Maria von all dem befreit geblieben wäre, und zwar von Anbeginn ihres Lebens an, als sie von ihrer Mutter empfangen wurde? – Schauen wir dazu ins Evangelium. Parallel zur Verkündigung der Geburt Jesu an Maria ist auch die Verheißung der Geburt des Täufers an Zacharias aufgebaut; allerdings mit entscheidenden Unterschieden. Als der Engel Gabriel dem bis dahin kinderlosen Zacharias die Geburt eines Sohnes ankündigt, da fragt dieser: „Woran soll ich erkennen, dass das wahr ist? Ich bin ein alter Mann, und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter.“

Zacharias misstraut der überbrachten Botschaft Gottes. Seine eigene Sicht der Dinge stellt er in den Vordergrund und aus seinem Urteilen schließt er, dass es nicht möglich sein kann. Damit aber stellt er sich dem Wirken Gottes entgegen, und als Zeichen, dass dadurch die Kommunikation gestört ist, lässt Gott ihn verstummen. Das ist wahrscheinlich etwas zutiefst Menschliches: Wir Menschen tun uns schwer, uns auf Gottes Pläne einzulassen, denn es mangelt uns an Vertrauen, dass er uns wirklich den guten Weg führt, selbst dann, wenn wir ihn nicht verstehen können.
Schauen wir aber nun auf Maria. Auch sie erhält eine ähnliche Nachricht vom Engel Gabriel. Sie fragt nach, weil sie sich nicht erklären kann, wie sie, ohne schon mit Josef in der Ehe zu leben, ein Kind empfangen soll. Aber sie zweifelt nicht grundsätzlich am Plan Gottes. Sie fragt nicht nach dem ob, sondern lediglich nach dem wie. Nachdem der Engel ihr einige Verstehenshilfen gegeben hat, stellt sie sich schließlich ganz dem Willen Gottes zur Verfügung. Natürlich ahnt sie, dass das Schwierigkeiten mit sich bringen wird, wenn Josef erfährt, dass sie ohne sein Zutun schwanger geworden ist. Aber Maria ist fähig, über das hinaus, was sie selbst als gut oder schlecht ansieht, dem zu vertrauen, was Gottes Wille ist und zu glauben, dass dieser Wille das Beste ist, auch wenn er nicht den eignen Wünschen entspricht.

 

„Voll der Gnade“ statt „Erbsünde“

Maria zeichnet sich in ihrem Leben tatsächlich als die Frau aus, die ihren Weg mit Gott geht, durch alle Freuden und Leiden hindurch. Vielleicht ist das der deutlichste Hinweis auf einen Menschen, der von der Erbsünde unverletzt geblieben ist. Sie kann sich dem Weg Gottes anvertrauen, ohne Widerstand Gutes und Schlechtes annehmen, weil sie von ihrer Glaubensüberzeugung her ganz gewiss ist, dass sie letztlich alles, was aus der Hand Gottes kommt, dem Heil näher bringen wird. Schmerz und Leid, Kummer und Sorge gehören zum Leben dazu. Nicht das ist das Glück, möglichst ohne unangenehme Erfahrungen durchs Leben zu kommen, sondern Glück ist, in tiefem Glauben auch Schmerz und Prüfung in dem Vertrauen annehmen zu können, dass sie aus der liebenden Hand Gottes kommen, um den Menschen zu erfülltem Leben zu führen.

Die Erbsünde hat damit zu tun, dass ich selber entscheiden will, was gut ist für mich und was schlecht. Ich sehne mich natürlich nach Gesundheit, nach Wohlstand und Freude. Demgegenüber muss ich Krankheit und Leid als unerträgliche Störung empfinden. Ich will glücklich leben und glaube selbst zu wissen, wie das aussieht und was ich zu diesem Glücklich-Sein brauche.
Und wenn Gott es besser wüsste? Wenn Krankheit, Verlust und Schmerz auch dazugehörten zu unserem Weg des Reifens? Wenn wir nur durch die schwierige Auseinandersetzung mit unseren unangenehmen Seiten in Kontakt kommen könnten mit dem wirklichen Leben? Wenn seine Gebote und seine Führung, die wir manchmal als Einengung erleben können, dennoch zum wirklichen Leben führten, selbst wenn wir anderer Meinung sind und uns anderes wünschen?

„Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind“ (Röm 8,28). – Bitten wir die Gottesmutter um ihr Gebet für uns, damit wir mit Hilfe des himmlischen Beistands dem Willen Gottes immer mehr vertrauen und in unserem Leben Raum geben können.

 

P. Thomas Heck SVD