2. Adventsonntag (A)

Predigtimpuls

Gott heilt

1. Lesung: Jes 11,1-10
2. Lesung: Röm 15,4-9
Evangelium: Mt 3,1-12

zum Kantilieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Ein vertrautes Bild für unser Leben ist der Weg. Leben heißt: auf dem Weg sein, seinen Weg gehen: bergauf, bergab; manchmal führt der Weg durch ein dunkles Tal; manchmal kommt es uns vor, als wären wir auf einer lichten Höhe; ab und zu scheint der Weg leicht, zu anderen Zeiten ist er mühselig und schwer. 

Auch die Geschichte unseres gläubigen Christseins wird uns im Bild des Weges vorgestellt. Mit unserer Taufe hat dieser Weg begonnen. Auch er weiß um ein Auf und Ab, um Licht und Schatten, um Zeiten beschwingter Leichtigkeit, aber auch um Zeiten, in denen wir unseren Christenweg als Last und Mühe empfinden. Auch dieser Weg kennt ein Ziel, das Christen nicht aus dem Auge verlieren: die Heimat, die Gott für uns sein will. Auf dieses Ziel hin müssen sich Glaubende immer wieder neu aufmachen. Glaubende sind, solange sie leben, pilgernde Menschen, Menschen unterwegs zu Gott. 

Das Bild vom Weg steht im Zentrum der Texte des 2. Advent. Eben im Tagesgebet beteten wir davon, dass wir dem Herrn entgegengehen. Doch wir gehen dem entgegen, der uns immer schon entgegenkommt. Gott ist längst schon unterwegs zu uns Menschen. Auch die Lesungen greifen diesen Gedanken auf. So bedeutet Advent, dass wir uns auf unserem Christenweg daran erinnern lassen, dass letztlich nicht wir Gott erreichen müssen, sondern, dass er uns erreichen und treffen will! 

Ich halte diesen Gedanken gerade auch für uns Menschen des Jahres 2013 für wichtig, weil wir in einer Welt leben, deren Botschaft an uns lautet: Du musst alles schaffen und leisten. Du brauchst dich nur anzustrengen, dann schaffst du es schon. Und bisweilen klingt auch vieles, was uns in der Kirche gesagt wird, tatsächlich so, als wäre christliches Leben in erster Linie eine Leistung, die erbracht werden muss.  

Richtig daran ist, dass es auf uns selbst ankommt, wie wir leben und wie wir unser Lebensziel erreichen. Aber wir müssen unser Lebensziel nicht allein erreichen, weil Gott uns längst schon entgegen kommt, weil er immer auch schon da bei uns ist, um uns unter die Arme zu greifen. 

Wer sich erinnert, dass Gott immer schon der Entgegenkommende ist, wird sich fragen, ob er/sie auch zugänglich ist für Gott. Wir Menschen wissen, wie schwer es sein kann, auf andere zuzugehen. Manchmal liegen Welten zwischen uns. Und bisweilen sind Menschen, zu denen wir einen Zugang suchen, regelrecht zugeknöpft. So wie uns, kann es auch dem entgegen kommenden Gott ergehen. Darum ermutigen uns die Lesungen: Bereitet dem Herrn den Weg! Räumt zur Seite, was es ihm schwer macht, euch entgegen zu kommen! 

Den Weg bereiten, kann heißen: Still werden und sich besinnen! Unsere Zeit und unser Leben sind voll von Geräuschen. Fast dauernd sind wir Reizen von außen ausgesetzt oder setzen uns ihnen aus. So wird es schwer, gerade die feinen und leisen Dinge und mit ihnen auch Gott wahrzunehmen. Wenn Gott bei uns ankommen soll, braucht es einen Raum der Stille um uns und in uns. Manchmal ahnen wir, dass uns etwas mehr Stille und Besinnung gut tun würden. Vielleicht bewegt dieses Ahnen Möglichkeiten zu entdecken, sich in aller Unruhe und Hektik solche Räume und Zeiten zu schaffen. 

Den Weg bereiten heißt auch: Klein werden vor Gott! Das ist nicht leicht, denn auf vielfältige Weise wird uns eine furchtbare Weise des Erwachsenseins aufgedrängt: Erwachsensein heißt, alles selber und allein machen. So aber wird das Leben oft sehr anstrengend und stressig.  

Es erschwert Gottes Kommen in unser Leben und in unsere Welt, wenn wir meinen, wir könnten und müssten alles selber und allein machen. Wer meint, er brauche nichts und niemanden, der ihm hilft, wer überzeugt ist, Beistand habe er nicht nötig, braucht letztlich weder Mensch noch Gott.  

Klein werden vor Gott bedeutet auf keinen Fall, sich künstlich zu erniedrigen. An Menschen, die sich mickrig fühlen und vorkommen, hat niemand seine Freude, noch nicht einmal Gott! Klein werden vor Gott meint: Ich stehe zur Wahrheit meines Lebens und muss gar nicht größer scheinen als ich in Wirklichkeit bin.  

Kein Mensch ist so reich, dass er alles haben kann, und niemand ist so stark, dass er alles machen kann. Nur wer diese Wirklichkeit seines Menschseins ganz realistisch in den Blick nimmt, zu dem kann Gott kommen, um mit ihm oder mit ihr zu gehen. Nur wer sich und sein Können auf das rechte Maß gebracht hat, kann zulassen, dass Gott uns Menschen etwas geben kann, was wir nicht selbst machen können und auch gar nicht selbst machen müssen.


P. Dr. Bernd Werle SVD