3. Adventssonntag (B)

Predigtimpuls

„Das Kommen Gottes befreit – aber wovon?“

1. Lesung: Jes 61,1-2a.10-11
Antwortpsalm: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 1Thess 5,16-24
Evangelium: Joh 1,6-8.19-28
Zum Kantilieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Sehnsucht nach dem Leben, nach Liebe, nach Freiheit 

Die Aufforderung „Freut euch allezeit im Herrn“ (Eingangs-Vers) mag manchem im Halse stecken bleiben. Wo gibt es einen Bezug zu unserem Leben, unserem Alltag, der doch vielerorts mehr von Elend, Angst, Unsicherheit und Überlebenskampf bestimmt ist? Ziehen wir uns da in der Liturgie nicht in einen „außerirdischen, nicht realen Raum“ zurück – und was dann letztlich auch nichts verändert? Ich meine, wir müssen uns ebenfalls hüten, den Menschen vorschnell irgendwelche Bibelstellen oder Glaubens-„Wahrheiten“ zu sagen, die sie in ihrer bedrängenden Not dann nicht verstehen können, ja missverstehen müssen und sich und ihre Lebenssituation nicht ernst genommen fühlen. 


Die Botschaft Jesu ist auch heute eine gefährliche Botschaft 

Ja, wir sind gesandt in unsere Welt heute – mit all dem, was dazu gehört. Wenn der Geist Gottes auch auf uns ruht, dann können wir uns nicht zurückziehen und sagen, das sollen andere regeln. Jesaja drückt das klipp und klar aus: „…damit ich den Armen die Frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist…“ In der Taufe haben wir anfanghaft diesen Geist empfangen, der beunruhig und zugleich ermutigt, diesen Auftrag zu erfüllen. So kann dann das Wort: „Freut euch zu jeder Zeit!“ dem Menschen Mut machen, sein Schicksal in die Hand zu nehmen – auch wenn dies ungemein schwierig sein sollte – damit dann die Erfahrung ermöglicht wird: Gott ist mitten in meinem Leben; er geht mit; er leidet mit; er freut sich mit mir, mit uns. Das exemplarische Beispiel für mich ist da Jesus – oder auch die vielen Menschen (Heilige, Märtyrer), die ihm gefolgt sind und so durch ihr Lebensbeispiel verkündeten: Gott ist größer. Er hält trotz allem unser Leben in der Hand. Ist das nicht auch ein Grund zur Freude? 


Unsere Sendung: den Menschen Hoffnung zu schenken, zu trösten, zu heilen 

Es geht in erster Linie nicht darum, die Menschen „in die Kirche zu bekommen“ oder Strukturen aufzubauen und zu erhalten. Es geht um den Menschen – und darum auch um Gott und das, was sein Plan für uns ist. Gott steht zu seinem Wort und zu seiner Zusage. Er ist und bleibt treu – auch wenn wir Menschen uns immer wieder von ihm abwenden. Vielleicht gelingt uns manches Vorhaben deshalb nicht – so gut es auch gemeint sein sollte -, weil wir einfach zu sehr auf uns selbst, auf unsere Ideen und Fähigkeiten schauen, als auf ihn. Johannes sagt dies heute im Evangelium: ich bin nicht selbst das Licht, die Orientierung, der Heilbringer, sondern ich lege nur Zeugnis ab für den, der der Heilbringer ist (vgl. Joh 1,7f). Ich sage mir das auch oft, wenn ich vor schwierigen Problemen oder Aufgaben stehe; wenn ich die Erwartung an mich spüre: das musst du aber jetzt machen oder ändern. Die Haltung des „Ich bin nicht der Erlöser, der Heiland“ gibt mir dann eine in Gott aufgehobene Gelassenheit, das Meinige mit all meinen Kräften zu tun – und doch darauf zu vertrauen, dass das Wesentliche von Gott getan wird bzw. schon getan ist. 


Gott ist stets größer als unser Herz, unsere Vorstellungen und Bilder von ihm 

…wenn das doch auch in unseren Verstand hineinginge! – nicht nur bei den Nicht-Fachleuten, den Laien, den sogenannten Fernstehenden, den Kritischen, sondern auch in die Köpfe mancher Frommen und Kirchenleute. Vom heiligen Augustinus wird ja erzählt, dass er einmal am Meer spazieren ging, als er gerade an seinem großen Werk über die Dreifaltigkeit arbeitete. Dort beobachtete er ein kleines Kind, das mit einer Muschel in der Hand immer wieder zum Wasser lief, schöpfte mit seiner Muschel, rannte zurück und goss das Wasser in das Loch. Darauf lief es wieder zum Wasser, schöpfte und wiederholte das Ganze immer aufs Neue. Da fragte Augustinus: "Was machst Du denn da?" Und das Kind antwortete ihm: "Ich schöpfe das Meer in dieses Loch!" Augustinus schüttelte den Kopf und sagte: "Du kleiner Narr, das ist doch unmöglich. Du kannst das große, weite Meer, doch nicht in dieses Loch füllen!" - "Aber du bildest dir ein", meinte das Kind und blickte den großen Gelehrten durchdringend an, "dass du das große Geheimnis der Dreifaltigkeit mit deinem Kopf erfassen kannst!?" Hier geht es nicht nur um eine theologische Aussage über Gott, sondern auch darum, was wir Gott zutrauen; ob wir bereit sind, uns unbedingt auf ihn einzulassen, ihm zu vertrauen – auch in bedrängenden Situationen von Leid, Not, ja auch von Tod – und dann nachvollziehen können, was Paulus mit dem „Freut euch zu jeder Zeit!“ gemeint haben könnte. 


Stimme des Rufers in der Wüste sein – ein Gnadenjahr auszurufen 

Der Auftrag an uns bleibt natürlich, sich um Veränderung zu kümmern – in Kirche und Welt. Immer wieder umzukehren. Menschen so wie Jesus anzunehmen, und keine tausend Bedingungen zu stellen, die ja sowie so niemand erfüllen kann. Es geht hier auch um Versöhnung, um den Abbau von Barrieren, um Verantwortung füreinander wahrzunehmen, die niemand delegieren kann. Sich gerade auch um die Ausgeschlossenen, die am Rande lebenden, die Diskriminierten zu kümmern – und sie hereinzuholen. Was könnte dann konkret bedeuten, ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen – z. B. angesichts des enormen Flüchtlingsstromes? Was könnten und müssten wir als Jesus-Nachfolgerinnen und Nachfolger tun, dass dies nicht nur im Wort bleibt, sondern Tat wird? Hier spüre ich, wie Jesu Botschaft wirklich „anstößig“ ist, provokativ; auch ärgerlich – weil störend; aufregend, weil sie nicht in Ruhe lässt. Das Beispiel so vieler engagierter Frauen und Männer im sozialen, politischen und kirchlichen Bereich ermutigen aber auch mich, dass die Frohe Botschaft des heutigen Tages verstanden wurde – und auch ins Leben umgesetzt wird. Immer wieder neu. Vielleicht auch als eine Art Medizin, welche die vielen negativen Botschaften des Schreckens zu überwinden sucht – um dadurch wieder Hoffnung aufscheinen zu lassen. Da geht Jesus mit, als unser Bruder und der Gott-mit-uns, der befreit.


P. Heinz Schneider SVD