15. Sonntag im Jahreskreis (B)

Predigtimpuls

Darf die Kirche sich aus der politisch-gesellschaftlichen Diskussion heraushalten?

1. Lesung: Am 7,12-15
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Eph 1,3-14
Evangelium: Mk 6,7-13

Die schwierige Lage des Propheten

Wer heute wagt, ein prophetisches Wort zu sagen – gerade den Mächtigen und Einflussreichen – der läuft Gefahr, ins Abseits gedrängt, verlacht oder sogar verfolgt zu werden. Zu keiner Zeit hatten es die Propheten leicht. Sie waren unbequem. Sie störten. Sie verunsicherten. Sie forderten einen Gesinnungswandel. Sie reklamierten Gerechtigkeit, Erfüllung von Gottes Willen. Die primäre Aufgabe eines Propheten ist ja nicht, die Zukunft vorherzusagen, sondern vielmehr in der Gegenwart das rechte Handeln des Menschen einzufordern – orientiert am Willen Gottes –, um so auch eine gute Zukunft mitgestalten zu können. Auch zur Zeit des Amos gab es Propheten, die ihre Aufgabe nicht erfüllten; die vielmehr zu Gunsten des Herrschers oder der herrschenden Ideologie – und auch der Theologie – nach dem Mund redeten. Das Ringen eines Propheten um seine Berufung macht deutlich, wie schwer es ist, den Willen Gottes zu erkennen. Immer wieder findet er Ausflüchte oder Entschuldigungen, warum gerade er nicht für eine solche Aufgabe geeignet sei. Der Dialog zwischen ihm und Gott spitzt sich oft so zu, dass der Gerufene erst am Ende – und dann immer noch mit Ängsten und Zögern - zu seiner Berufung ja sagen kann. Es bleibt ein Wagnis. Ein lebenslanges Abenteuer. 


Die Sendung der Zwölf – und unsere Sendung

Was wäre wohl geschehen, wenn die Jünger und Jüngerinnen Jesu damals „Nein, danke, Herr. Auf so etwas sind wir nicht vorbereitet. Da musst du dir schon andere suchen!“ gesagt hätten, als er sie auswählte und aussenden wollte? Wenn er statt ihrer die großen Führer des Volkes, die Theologen und Schriftgelehrten ausgewählt hätte? Was wäre geschehen, wenn Frauen und Männer in der Geschichte immer nur den sicheren Weg gegangen wären, ohne auch ihr eigenes Leben zu riskieren? Wie sähe unsere Welt aus, wenn es nicht immer wieder prophetische Menschen gäbe? Ein ehemaliger Bischof von Iguazú / Argentinien, Jorge Piña, fragte einmal in einer Predigt am Fest des Hl. Roque Gonzalez: „Was ist die größte Sünde für einen Propheten?“ – und nach einer Pause sagte er: „Den Mund zu halten. Zu schweigen.“ – Diesen Bischof haben viele damals als wirklichen Propheten erfahren, der sich besonders für die unterdrückten und ausgebeuteten Menschen einsetzte. Der sich nicht scheute, korrupte Regierungsleute beim Namen zu nennen und sie zur Umkehr aufzufordern. Der aber auch nicht unterließ, die Gläubigen und einfachen Menschen zu ermutigen, ihrer Taufe und ihrer Sendung gemäß zu leben, ihr Leben auf Gott und für die Menschen auszurichten. 


Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet 

Wir alle sind bei der Taufe mit Chrisam gesalbt worden. Dabei heißt es: „…denn du bist Glied des Volkes Gottes und gehörst für immer Christus an, der gesalbt ist zum Priester, König und Propheten…“. Das heißt doch aber, dass jeder von uns wirklich zu diesem missionarischen Dienst der Kirche nicht nur eingeladen, sondern beauftragt ist; dass der Beitrag eines jeden Getauften wichtig ist – und damit meine ich nicht den Kirchensteuer-Beitrag! -. Ich habe den Eindruck, dass diese allgemeine Sendung viel zu wenig gesehen, wahrgenommen und auch nicht immer in der Kirche gewollt ist. Denn dafür haben wir doch die sogenannten „Hauptamtlichen“. Nein! Jeder von uns ist hier gefordert und hat eine unverzichtbare Aufgabe. Natürlich gilt das Wort des Hl. Paulus: „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.“ (1 Kor 12,7) – und er fährt in V 11 weiter fort: „Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.“ Es würde hier zu weit führen zu fragen, welche „besondere Gabe“ und wer mit „Jedem“ gemeint ist. Aber ich halte es schon für interessant, diesen Fragen nachzugehen und zu schauen, welche Konsequenzen sie für uns als Kirche heute beinhalten könnten.


Nicht die Mittel sind das Wichtigste, sondern die Botschaft und ihr Inhalt 

Der Verkündigungsdienst der Frohen Botschaft kann nicht in der Luft hängen. Jesus ist damals von Ort zu Ort gezogen, mit seinen Jüngerinnen und Jüngern, hat gepredigt, geheilt, Menschen zur Hinkehr zu Gott bewogen. Er hat nicht mit Kritik gespart und keine Auseinandersetzung gescheut. Und das alles geschah im „bescheidenen Rahmen“ – ohne große Institutionen und deren Möglichkeiten. 

Und wir heute? Was brauchen wir offensichtlich alles an Mitteln, Medien, Einrichtungen, an Personal, schließlich an Geld, um als Kirche unserem Auftrag nachkommen zu können? Natürlich wird so auch sehr, sehr viel Gutes und Sinnvolles getan. Kirche kann dort helfen, wo andere es nicht tun können oder einfach nicht tun. Aber trotzdem, scheint mir, müssen wir vieles kritisch hinterfragen und vielleicht wieder viel „einfacher“ werden in unserem Dienst an Gott und für die Menschen. Die vielen Möglichkeiten, die wir in unseren Breiten haben, haben andere Ortskirchen bei weitem nicht. Ja, wir helfen ihnen – aber hoffentlich auch so, dass sie nicht einfach unser System und unsere Standards übernehmen – und damit das Ihre, ihre kulturellen Werte verlieren und schließlich auch ihre Art, das Evangelium zu verstehen, auszulegen und zu verkündigen.

Und die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. Das Zweite Vatikanische Konzil hat zu Recht das vom Hl. Augustinus stammende Bild von der Kirche „als dem wandernden Volk Gottes“ geprägt. Die Kirche "schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin" (Lumen Gentium 8). In diesem Spannungsfeld werden wir immer leben, solange wir auf Erden sind. Das haben die ersten Apostel erlebt; das haben ihre Nachfahren im Auf und Ab der Geschichte erfahren; das haben bis zur Hingabe ihres Lebens viele Glaubenszeugen erfahren und erlitten. Und wie sollte es uns anders gehen nach dem, was Jesus seinen Nachfolgern versprochen hat. Deshalb kann es äußerst fatal sein, wenn wir unser Augenmerk allzu sehr auf äußere Bedingungen oder alles Mögliche richten – und so vielleicht den Blick für das Wesentliche, nämlich die Botschaft vom Reich Gottes weiterzusagen, vernachlässigen oder sogar vergessen. Die radikalen Richtlinien, die Jesus damals seinen Jüngern gab, gelten doch wohl für alle, die ihm nachfolgen. Offensichtlich war Jesus sich bewusst, wie leicht der Mensch (der Jünger) seine Sendung (und damit auch Inhalte) verfehlen, ja verfälschen kann. Das kritisierte er doch unerschrocken immer wieder an den damaligen Schriftgelehrten und Führern des Volkes. Darum gilt wohl für uns heute noch: Loslassen von allem, was vermeintlich so wichtig ist für unser Leben und Wirken. Sich einlassen auf die Sendung und auf den, der sendet und uns versprochen hat, immer bei uns zu sein. „…ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.“ So drückt es zuversichtlich das Johannes-Evangelium aus (15,16). Damit ist freilich nicht eine weltfremde oder naive Sorglosigkeit gemeint, sondern ein grundlegendes Vertrauen in Gott und seine Sendung. 

Darauf können und sollten wir uns auch heute einlassen – oder?

 

P. Heinz Schneider SVD