Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria

Predigtimpuls

Die Lage Gottes ist nicht aussichtslos

1. Lesung: Gen 3,9-15.20
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Eph 1,3-6.11-12
Evangelium: Lk 1,26-38
Zum Kantilieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Die Entfremdung des Menschen und die schwierige Lage Gottes.

Nicht wenige können mit diesem Fest nichts mehr anfangen. „Was hat das mit meinem Leben zu tun?“, fragen sie. Vielleicht können die folgenden Überlegungen dazu dienen, einige Haltungen Mariens für das eigene Leben als hilfreich zu erfahren, um uns selbst und die Welt besser zu verstehen. Die Menschen, so sagt uns die Schrift, hatten sich von Gott und seinem Schöpfungsziel abgewandt. Alle Versuche Gottes, sie zurückzuführen und zur Umkehr zu bewegen, waren gescheitert. „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott durch die Propheten zu den Menschen gesprochen…“ (Hebr 1). Schließlich sandte er dann seinen eigenen Sohn in die Welt, um die Menschen wieder mit sich und untereinander in die rechte Beziehung zu bringen. Aber wie konnte dies geschehen, ohne dass Gott so in die Geschichte eingegriffen und damit die menschliche Freiheit aufgehoben hätte? Die Erwählung Mariens – einer einfachen jungen Frau – zeigt, dass es Gott hierbei nicht um ein großes und Aufsehen erregendes Ereignis ging, sondern schlicht darum, dass er sich dem Menschen wieder in Liebe nähern wollte: der Sohn Gottes sollte von einer Frau geboren werden, die sich dafür ganz zur Verfügung stellen sollte. 


Maria – der HÖRENDE Mensch…

Das setzt eine große Sensibilität und Offenheit voraus – für sich selber, aber auch für alles, was um uns herum geschieht. Wir wissen heute, dass wir nicht nur von unseren Genen geprägt sind, sondern auch von all dem, was von außen, von anderen auf uns zukommt: Familie, kulturelles und soziales Umfeld, Bildung und Ausbildung, usw. Bei all dem hat der Einzelne gleichzeitig aber auch die Aufgabe und Bestimmung, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und mitzugestalten. Wir glauben, dass Gott jedem Menschen eine Berufung und ein Ziel zuteilwerden lässt, die seinen Möglichkeiten entsprechen und somit sein Leben gelingen lassen. Im Laufe des Lebens sind wir deshalb immer wieder eingeladen, auf diesen Ruf Gottes zu hören und ihm zu folgen. Gerade als Frau scheint Maria dieser Einladung in besonderer Weise gefolgt zu sein und konnte so die Mutter Jesu werden. Vielleicht auch für uns heute in einer von Tempo und Hektik geprägten Zeit ein Hinweis, uns Räume der Ruhe, der Stille, des Hörens zu reservieren, damit wir diesen Ruf nicht überhören. Wird uns dies in dieser Adventszeit ein Stück gelingen?


Maria – der HEILE Mensch…

Möglicherweise liegt in der Schlichtheit und Einfachheit Mariens, weil sie nicht zu den Großen und Gebildeten oder den Einflussreichen gehörte, auch der Schlüssel für ihr Vertrauen in Gott, von dem sie alles erwartete – und dem sie alles zutraute: „Mir geschehe nach deinem Wort!“. Auch wir erfahren in unserem Leben, dass bestimmte Momente und Ereignisse sich erst im Nachhinein erschließen. Erst nachher erkennen wir darin die Handschrift Gottes (oder meinen dies wenigstens). Wir glauben deutlich zu spüren: hier und dort hat Gott gewirkt, hat sich sein Wille durchgesetzt – was sich dann auch als heilsam und segensreich erwiesen hat. Das schließt natürlich nicht aus, dass es auch viele Fragen und manches Unverständnis gibt, das wir heute und morgen nicht auflösen können. 


Maria – der VERTRAUENDE Mensch…

Immer wieder geraten wir an die Grenzen unseres Lebens und unserer Möglichkeiten. Meinen, dieses ist unmöglich, jenes schaffen wir nicht. Ich meine, dies hat seinen Sinn und ist gut so, zeigt es doch unsere Endlichkeit und weist uns darauf hin, uns dem zu stellen und so als Menschen zu reifen und nicht wegzulaufen. Im rein Menschlichen erfahren wir das und können entsprechend handeln. Auf der Ebene des Glaubens und der Gnade – die ja bekanntlich auf der Natur aufbaut (?)– erfahren wir aber noch eine andere Dimension, die sich unserem Kalkül total entzieht; die uns auffordert „wider alle Hoffnung doch zu hoffen“, es doch zu wagen. Das sprengt unter Umständen all unsere bisherigen Erfahrungen. Da vermeinen wir Gott zu begegnen - so wie Petrus, als er Jesus auf dem Wasser entgegen ging (Mt 14,28), mit der bangen Frage: „Wenn du es bist, Herr…“. Maria hat offensichtlich nach dem volkstümlichen Glauben solche Erfahrungen mit Gott gemacht, ohne diese groß zu reflektieren. Sie haben ihr geholfen, entsprechend dem Heilsplan Gottes ihre Verantwortung zu übernehmen, an ihrem Ort und gegenüber den Menschen, die um sie waren – ja sogar darüber hinaus. 


Maria – der BEGNADETE Mensch…

Gerade in unserer Zeit, in der der Mensch offensichtlich so viel schaffen und machen kann, so dass im Vergleich dazu ein Turmbau zu Babel geradezu als ein Kinderspiel erscheint, wird aber auch deutlich, wie solches Streben den Menschen entfremdet und nicht zur Ruhe kommen lässt. Für Gott, für Gnade, für Geschenk ist da kein Raum und auch kein Verständnis mehr. Alles dreht sich nur um Gewinn und Einfluss, ums Machen. Wer nicht beim großen Spiel dabei ist, hat verspielt. Wer nicht alles auf eine Karte setzt, ist draußen. Wer nicht die raffiniertesten Methoden anwendet, hat keine Chance. Und um das zu nutzen, geht man „gnaden-los“ mit dem anderen Menschen um. Jeder ist sich selbst der Nächste! Das Schicksal des anderen ist nicht meine Sache. Aber ein solcher Mensch gerät in die Gefahr, sich selbst und seine Seele zu verlieren. Wenn der Engel Maria mit „Gegrüßet seist du, voll der Gnade“ anredet, dann kommt hier die Glaubensauffassung zum Tragen, dass man in ihr eine so intensive Übereinstimmung mit Gott zu erkennen meint, die einmalig ist und die zu ihrem ganzen Leben gehörte und es prägte. 


Und was bedeutet das für uns?

Menschen aller Zeiten haben deshalb in Maria das hervorragendste Beispiel für den Glauben, für das Vertrauen in Gott, für die Hingabe und das Aushalten – bis an die Grenze des menschlich Erträglichen unter dem Kreuz – gesehen. Maria verdeutlicht sicherlich auch den Wunsch nach Ganz-sein, Heil-sein angesichts der eigenen Grenzen bis hin zum Scheitern. In ihr scheint noch einmal der Schöpfungswille Gottes auf, dass alles gut sein soll und gut sein kann. Wir sind und leben zwar auch in der Verstrickung des Bösen und der Sünde und haben Anteil daran, aber wir stehen gleichzeitig unter Gottes Gnade und Liebe, die uns (ver)wandeln kann, weil sie allein alles Negative überwindet. Auf Gott hören, wie Maria, auf ihn vertrauen, uns seiner Gnade öffnen ermöglicht auch für uns, geheilt und erlöst zu werden. 

Nun, die Lage Gottes ist also doch nicht schwierig oder sogar aussichtslos. Aber wenn wir uns nicht ihm – wie Maria – öffnen und ihm vertrauen, wird unsere Lage mehr als schwierig.

 

P. Heinz Schneider SVD