Hochfest des Leibes und Blutes Christi – Fronleichnam (C)

Predigtimpuls

Das Brot ist mir gereicht zum Leben und zum Weiterreichen.

1. Lesung: Jes 52,7-10
2. Lesung: Eph 3,8-12
Evangelium: Joh 1-5.9-14.16-18

Mahatma Gandhi, der auf gewaltlose Weise das indische Volk in die Unabhängigkeit führte, sagte einmal: „Es gibt so viele hungernde Menschen auf der Welt, dass Gott nur in der Form des Brotes zu ihnen kommen kann.“ Schwestern und Brüder, in einer zerbrochenen Welt, wo Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen nicht aufhören und wo die Menschheit in Hungernde und Satte gespalten ist, feiern wir heute an Fronleichnam das Fest, in dessen Mitte das zerbrochene Brot steht, das uns von Gott selbst geschenkt wird. Ja, Gandhi hat recht: Gott ist das Brot unseres Lebens. In jedem Gottesdienst hören wir: „Nehmt und esst alle davon. Das ist mein Leib“. In Jesus ist Gott auf dem Weg zu den Menschen. Gott ist ihnen nahe, nicht zuletzt unter der Gestalt des eucharistischen Brotes. Jesus ist das Brot für die hungernden Menschen. 

Eben hörten wir das im Evangelium. Jesus gibt seinen Jüngern und Jüngerinnen einen Auftrag: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Den Jüngern stehen aber nur unzureichende Mittel zur Verfügung. So viele Menschen – etwa 5000 -, alle sind sehr hungrig, nur fünf Brote, zwei Fische, das sind die Rahmenbedingungen! Verlangt nicht Jesus angesichts dieser Umstände Unmögliches? Und dennoch: Alle haben sich satt gegessen, zwölf Körbe bleiben sogar noch über. Durch das Wirken Jesu wird aus dem wenigen ein überschießendes Viel, das alle im Überfluss satt macht. Was bedeutet das für uns? 

Die im Evangelium geschilderte Situation spricht zunächst die Grunderfordernisse an, um überhaupt leben zu können: Kleidung, Arbeit, Nahrung, und das trifft auch durchaus heute zu. Wir hören Schreckensmeldungen aus vielen Teilen der Welt. Durch Naturkatastrophen, aber auch durch politische, wirtschaftliche und ökologische Fehlentwicklungen sind Millionen Menschen, vor allem Kinder, vom Hungertod bedroht. Ihre inständige Bitte ums tägliche Brot bleibt anscheinend unerhört. Viele Menschen haben Hunger und Sehnsucht nach einem erfüllten Leben. Hunger hat viele Gesichter. Da ist der Hunger, der nicht den Körper betrifft, sondern die Seele. Wie viele Menschen hungern, auch bei uns? Die Flüchtlinge hungern nach Sicherheit und Geborgenheit; Kranke hungern nach Gesundheit, Vereinsamte hungern nach Kontakten mit verständnisvollen Menschen; junge Leute hungern nach einer Orientierung im Leben; Arbeitslose, die ohne Schuld zur Untätigkeit verdammt sind, hungern nach einer sinnvollen Aufgabe. Hungern nicht viele Menschen nach einem echten und dauerhaften Frieden? 

Johannes Chrysostomos, „Goldmund“ genannt, stellt im 5. Jhdt. in seinem Kommentar zum Matthäusevangelium fest: „Willst du den Leib des Herrn ehren? Ehre ihn nicht hier im Heiligtum mit Seidenstoffen, um ihn dann draußen zu vernachlässigen, wo er Kälte und Nacktheit erleidet. Was nützt es, wenn der eucharistische Tisch überreich mit goldenen Kelchen bedeckt ist, während er Hunger leidet? (Gemeint ist der Nächste, der in Armut und Not lebt!) Beginne damit, den Hungrigen zu sättigen, dann verziere den Altar, mit dem, was übrig bleibt.“ Auch mit Mahatma Gandhi müssen wir bedauernd feststellen: „Die Erde hat genug für den Hunger der vielen, doch zu wenig für die Gier einiger.“ Darum ist auch das Wunder der Brotvermehrung ein Appell, unsere Begabungen, die jeder von uns hat, einzusetzen und nicht schlummern zu lassen. Die Gemeinschaft der Kirchen, die Gemeinden, sind beauftragt, dieses sinngebende Brot in verschiedenster Form an alle auszuteilen, auch in der dichtesten Form - der Eucharistie. Hier müssen sich die Verantwortlichen fragen lassen, ob sie nicht durch hausgemachte Umstände viele, sehr viele Menschen vom eucharistischen Mahl ausschließen. Im Teilen des Brotes, im Weiterreichen des Weines wird Eucharistie zum Zeichen der Solidarität. Unsere Wohlstandsgesellschaft, von der gar nicht wenige ausgeschlossen sind, hat so ein Zeichen sehr nötig.  

Mit diesem Zeichen der Brotvermehrung appelliert Jesus an unser Vertrauen, an unseren Glauben, an unsere Solidarität. Sehr oft erleben wir doch Momente, wo wir nicht weiterkommen, weil die Rahmenbedingungen miserabel sind. Trotz aller Widerwärtigkeit löst sich manche schwierige Sachlage, weil uns dazu gegeben wird, was wir brauchen: durch helfende Hände, ein klärendes Gespräch, durch Vertrauensvorschuss. Das Wunder der Brotvermehrung wurde durch den Glauben der Jünger und Jüngerinnen möglich. Es ist erstaunlich, was der Glaube an Kreativität, an Energie, an Intelligenz bewirken kann. Das wenige, das die Jünger zur Verfügung haben, wird in der Hand Gottes zu einem überfließenden Reichtum. Auch uns Christen stünde es gut an, unsere geringen Kräfte wieder zusammenzutun und seien sie noch so ungenügend und uns zu einem Volk im Namen Gottes zu versammeln. Wenn wir uns alle in unsere Kirche mit unseren besten Kräften einbringen, dann können wir in der Hand Gottes zu Lebensspendern werden in einer lebenshungrigen Welt. 

Schwestern und Brüder, obwohl Jesus uns ganz klar und deutlich zu verstehen gegeben hat, dass es nicht um das Brot allein geht – eine Ermahnung für Hungrige und Satte in gleicher Weise -, hat er sich doch nicht gescheut, für uns zum Brot zu werden. Er sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“. Er selbst hat sich zur Speise und zum Trank gegeben für uns. Gleich werden wir wieder Brot und Wein zum Altar bringen. Und mit den Worten Jesu vom Letzten Abendmahl: „Das ist mein Leib ... Das ist mein Blut ... Tut dies zu meinem Gedächtnis.", wird Jesus Christus gegenwärtig sein. Wir sehen Brot und Wein und wissen, dass dieses Brot, dieser Wein, mehr sind als alltägliche Lebensmittel. Brot und Wein werden verwandelt in Leib und Blut Christi und wir empfangen dieses Brot, diesen Wein. Da geschieht Kommunion - eine Beziehung vertieft sich, beginnt von Neuem, bewährt sich. Jesus lädt uns zu dieser Mahlgemeinschaft ein. Immer wieder hat Jesus mit Menschen Mahl gehalten, Brot geteilt. Das Mahl, von dem das Evangelium spricht, ist nicht irgendein Mahl, zu dem sich gute Freunde treffen, gut essen, plaudern und dann wieder auseinandergehen. In diesem Mahl wird die Person des Messias ins Zentrum gerückt und in der heiligen Mahlzeit zeichenhaft gegessen und getrunken. 

Das Brot, das uns gereicht ist, beinhaltet auch heute noch diese Nahrung. Es ist keine Belohnung, weil ich so gut bin oder so oft in die Kirche gehe. Das Brot ist mir umsonst gereicht, weil ich es Gott wert bin, weil er will, dass ich satt werde und meinen Hunger nicht mit allem Möglichem zu stillen brauche. Das Brot ist mir gereicht zum Leben und zum Weiterreichen.

Bei der Prozession werden wir nachher das eucharistische Brot hinaus auf die Straßen tragen. Nicht als Schauende, sondern als Glaubende tragen wir das Brot des Lebens durch unsere Straßen und halten wir den Hunger unseres Lebens. Wir halten dem Herrn des Lebens unsere Welt entgegen, damit sie von seiner Gegenwart durchdrungen wird, damit der Lebenshunger so vieler Menschen wirklich gestillt werden kann und noch so viel da ist, dass wir teilen können. So werden wir als Glaubende, Schwestern und Brüder, nicht ein Stück Brot durch die Straßen tragen, sondern Gott selber zu den Menschen. Diese Gnade wünsche ich uns allen. Amen.

 

P. Xavier Alangaram SVD