30. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

Gerecht vor Gott

1. Lesung: Sir 35,15b-17.20-22a
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 2Tim 4,6-8.16-18
Evangelium: Lk 18,9-14

Liebe Mitchristen, 

vielleicht kennen sie die Verse, die Eugen Roth zu unserer heutigen Evangeliumsperikope verfasst hat: 

Ein Mensch betrachtete einst näher
die Fabel von dem Pharisäer,
der Gott gedankt voll Heuchelei dafür,
dass er kein Zöllner sei.
Gott Lob sprach er in eitlem Sinn,
dass ich kein Pharisäer bin!

Eugen Roth hat seinem kleinen Gedicht den Titel gegeben „Salto mortale“. Der Mann ist ganz gehörig danebengetreten. Sein Sprung ging ins Bodenlose, war tödlich, wie es das Evangelium darstellt. 

Jesus geht es bei seiner Beispielerzählung vordringlich nicht um irgendeine bestimmte Gruppe von Menschen, genannt „Pharisäer“, ihm geht es im letzten um die Haltung, mit der allein ein Mensch vor Gott bestehen kann. Um hier falsch zu liegen, muss man nicht unbedingt ein Pharisäer sein – und man muss nicht Zöllner sein, um richtig vor Gott zu stehen. 

Warum nun wird der eine für gerecht erklärt und der andere nicht? Der Pharisäer stellt sich hin, so als gehöre ihm der Tempel zu eigen. Alle sollen ihn sehen können. Der andere aber, der „Zöllner“, bleibt ganz hinten stehen, so als scheue er sich, überhaupt in das Haus zu treten. Der eine hält sich selbst eine Lobrede, die er an Gott richtet, damit der sich erinnert, was er doch für ein toller Kerl ist, welch wunderbares Leben er führt. Er setzt sich zudem noch von den anderen Menschen ab, die in seinen Augen alle Räuber, Betrüger und Ehebrecher sind. Ganz besonders setzte er sich von dem ab, der mit ihm – hier auf der gleichen Ebene – vor Gott steht. Mit dem will er schon gar nicht auf einer Stufe stehen. Der andere findet in sich nichts, was er vorweisen kann. Er schlägt sich an die Brust und sagt: Gott, sei mir Sünder gnädig. Er blickt nicht um sich, um jemanden zu finden, mit dem er sich vergleichen könnte, der vielleicht noch ein bisschen schlechter ist als er. Er schaut nur auf Gott und weiß, dass er nur mit seiner Hilfe etwas erreichen kann. 

Wer sich selbst berühmt, wer sich vor Gott als groß hinstellt und die Mitmenschen verachtet, der verliert, der springt in die falsche Richtung, der trennt sich von Gott. Wer sich dagegen nicht größer macht, als er wirklich vor Gott ist, wer Gott letztlich Gott sein lässt und alles von ihm erwartet, aber auch all das tut, was er kann, der erfährt Gerechtigkeit von Gott. 

Soweit die Aussage des heutigen Evangeliums. Ich muss gestehen, ich fühle mich ein wenig unwohl in meiner Haut. Gibt es in meinem Leben nicht viel zu viel von dem, was Jesus da ausdrücklich als falsch, ja als gefährlich hinstellt: Das Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen, das Vergleichen mit anderen, das Besser-sein-Wollen und vieles andere? Ich will ja gar nicht klein und demütig im Hintergrund stehen, sondern von möglichst vielen gesehen, anerkannt, gelobt werden. Im Grunde lebe ich so, als ob ich dieses Evangeliumsstück nie gehört hätte. Wenn das stimmt, dann muss ich mich fragen, ob ich das Wort Gottes überhaupt kenne, ob sich in meinem Alltag, im Leben etwas von der Botschaft Gottes wiederfindet. Letzten Endes ist das, was unser heutiges Evangelium sagt, ja nicht etwas Nebensächliches, sondern die Grundbotschaft der ganzen Bibel. Gott ist Gott der Schöpfer, Erhalter und Vollender sieht voll Huld auf die Niedrigkeit seiner Menschen, wie es Maria in ihrem Lied, dem Magnificat, singt. Maria greift in ihrem Lied die Aussage der Hanna, der Mutter Samuels auf (vgl. 1 Sam 2, 1-10). Der Hymnus im Philipperbrief singt von Christus Jesus so: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (2,6-8). Das sind nur 3 Beispiele von vielen, die man hier aus dem ersten und zweiten Buch des Bundes aufzählen könnte. 

Heute wird für mich eine Funktion der Frohen Botschaft besonders aktuell: Sie stellt immer auch die Frage, ob mein Leben, so wie ich es führe, dieser Botschaft entspricht, sie stellt also mein Leben in Frage. Ich muss erkennen, dass ich in wesentlichen Punkten meines Glaubenslebens auf dem falschen Weg bin. Wenn ich vor Gott bestehen will, muss ich umkehren zu ihm und seiner Botschaft. An ihr muss ich mich neu orientieren, neue Maßstäbe setzen in ihrem Licht. Ich muss den Sprung wagen, den Salto, weg von mir, ins vielleicht Bodenlose. Aber Jesus hat diesen Sprung auch gewagt und ist in die Hand Gottes gefallen. Der Zöllner steht somit neu vor mir, diesmal als Beispiel für das, was ich jetzt aktuell zu tun habe. Ich muss nun sagen: Gott sei mir Sünder gnädig. Ich darf es mir nicht nur anhören als Gebet des Zöllners, sondern ich muss es zu meinem Gebet machen. Und ich darf vertrauen, dass Gott mich hört und erhört. Die erste Lesung aus Jesus Sirach kann mir weiterhelfen: „Wer Gott wohlfällig dient, der wird angenommen, und sein Bittruf erreicht die Wolken. Das Flehen des Armen dringt durch die Wolken, es ruht nicht, bis es am Ziel ist. Es weicht nicht, bis Gott eingreift und Recht schafft als gerechter Richter.“ Der Antwortpsalm (Ps 34) greift den Gedanken in seinem Kehrvers auf: „Der Herr erhört den Armen, er hilft ihm aus all seiner Not.“ 

Auf diesem Hintergrund fällt für uns vielleicht ein neues Licht auf das heutige Tagesgebet: 

Ewiger Gott, du bist das Ziel, auf das wir zugehen, und weist uns den Weg zu dir. Stärke in uns den Glauben, die Hoffnung und die Liebe; und gibt uns die Kraft, deinen Geboten zu folgen, damit wir erlangen, was du verheißen hast. Darum bitten wir durch Jesus Christus.

P. Dr. Winfried Glade SVD