31. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

Gottes barmherzige Liebe verschwenderisch auszuteilen

1. Lesung: Weish 11,22-12,2
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 2Thess 1,11-2,2
Evangelium: Lk 19, 1-10

Ansprache zu Lk 19, 1-10

Das heutige Evangelium erzählt eine der bekanntesten Begegnungsgeschichten des Evangeliums. Die Begegnung mit Jesus wird selbst für einen Menschen, der gewaltig ‘Dreck am Stecken’ hat, zu einem ungeheuer glücklichen Augenblick. 

Ohne viel zu reden, bricht Jesu die Vorbehalte und Vorwürfe der damaligen Gesellschaft gegen die schmutzig-sündigen Zöllner auf. Er lässt sich von diesem, der den Namen Zachäus trägt, einladen, schenkt ihm seine Nähe und schafft so einen Lebensraum, in dem Verstehen und Versöhnung möglich werden. 

Gerade durch dieses Verhalten Jesu bleibt im Leben des leidigen Sünders nichts beim Alten. Alles kommt in Bewegung. Der für Gott verlorene und von seinen Mitmenschen schief angesehene Zöllner nutzt die Chance zur Umkehr: Er ist nun bereit, sein ungerecht erworbenes Geld zurückzugeben, und mehr als das: Denen, die er betrogen hat, will er es gleich vierfach erstatten. Und so als ob es damit noch nicht genug wäre, will er auch noch die Hälfte seines Vermögens an die Armen verteilen.

Doch wie immer, wenn das Evangelium von Jesu vorbehaltloser Zuwendung zu Sündern erzählt, reagieren die Saubermänner und Sauberfrauen mit Entrüstung und Empörung.


Im Anschluss an diese Geschichte können wir Christen von heute uns verschiedene Fragen durch den Kopf gehen lassen. Zunächst einmal: Wie gehen wir mit den Schattenseiten unseres Lebens um? Wie gehen wir um mit der Schuld, die wir auf uns geladen haben? Verstehen wir dieses Evangelium tatsächlich als eine Botschaft, die sich auch an uns ganz persönlich richtet?

Hören wir aus diesem Evangelium, dass Jesus gekommen ist, um auch das Verlorene in uns selbst, in unseren Herzen und Lebensgeschichten, zu suchen und zu retten? Tun wir so als ob wir Unschuldslämmer wären oder nehmen wir ehrlich und beherzt unsere Schuld und Sünde mit hinein in unsere Begegnung mit Jesus? Tragen wir sie vor ihn hin in der festen Zuversicht, dass wir bei ihm Vergebung finden, dass er auch uns in unserem Innersten anrühren kann wie Zachäus, so dass nichts beim Alten bleiben muss, sich auch unser Leben zu wandeln vermag und unter Jesu barmherzigem Blick neuer Lebensmut und Lebensfreude auch in unser Herz einkehrt? Und dann auch die Frage, ob wir allzu leicht über unsere eigene Schuld im Alltäglichen hinweg sehen, um im gleichen Atemzug dann mit anderen gnadenlos ins Gericht zu gehen?


Es will für uns heute frohe Botschaft sein, wenn uns gesagt ist: Du kannst und darfst in der Begegnung mit Jesus zu deiner eigenen Schuld stehen - mag sie auch noch so groß sein. Du kannst und darfst all das, was dich belastet, vertrauensvoll in seine Hände legen.

Wer sich von Jesus in seinem Innersten anrühren und vergeben lässt, zu dem und zu der kommt, wie seinerzeit in das Haus des Zachäus, das Heil und damit neues Leben und neue Freude. 

Das Geschenk der glückbringenden Begegnung mit Jesus Christus liegt darin, dass ein Denken wie: ‘Du bist so schuldig, dass du auf die Dauer deines Lebens nie wieder froh wirst’, dass ein Denken wie: ‘Es bleibt doch alles beim Alten’ aufgebrochen wird. Allen, die sich in solchen Denkmustern eingerichtet haben, ist gesagt: Vorbehaltlose Vergebung und Annahme ermöglichen immer Umkehr und Neuanfang.


Wer weiß, dass er trotz seiner Schuld nicht wie der ‘letzte Dreck’ behandelt, sondern angenommen wird, wird beginnen, auch da, wo andere ihm oder ihr etwas schulden, wo Menschen ihn oder sie enttäuscht und verletzt haben, das Geschuldete nicht mehr einzuklagen. 

Der in der barmherzigen Zuwendung Jesu `neu’ gewordene Mensch nimmt in seinem Verhalten Maß an der erfahrenen Barmherzigkeit und Versöhnungsbereitschaft Gottes. 

Wo Menschen so beginnen, als miteinander Versöhnte zu leben, dort wächst dann auch geschwisterliche Gemeinde, die niemanden ausgrenzt und verstößt. So wird dann `Hier und Heute’, in unserer Welt mit den Händen greifbar, dass der Gott, an den wir glauben, niemanden abschreibt, sondern sein Heil zu allen Menschen bringt.

Weil Gott sich in der Begegnung mit Jesus Christus uns gegenüber als barmherzig und versöhnungsbereit erwiesen hat, gehört es zur persönlichen Verpflichtung eines Christenmenschen, Gottes barmherzige Liebe nicht eifersüchtig anzusparen, sondern verschwenderisch auszuteilen.

 

P. Dr. Bernd Werle SVD