9. Sonntag im Jahreskreis (C)

Predigtimpuls

„Die Sendung des Hauptmanns von Kafarnaum“

1. Lesung: 1Kön 8,41-43
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Gal 1,1-2.6-10
Evangelium: Lk 7,1-10

Der Bekannte- Unbekannte 

Der liebenswürdige Abbé-Cardinal Joumet sagte einmal: „Jahrelang sah ich jeden Tag durch die Fenster meines Hauses einen Mann draußen vorbeigehen. Manchmal traf ich ihn auf der Straße. Ich zweifelte nicht an seiner Existenz, ja sein Schritt war mir sogar vertraut. Aber von ihm wusste ich nichts. Eines Tages klopfte dieser Bekannte und zugleich Unbekannte an meine Tür: ,Ich muss Sie sprechen. Ich trage eine Sache mit mir herum, über die ich nicht länger schweigen kann. Bitte, hören Sie mir zu!‘ Der Unbekannte sagte mir, wie er heiße und was für ein Mensch er sei. Er sprach über sein bisheriges Leben, über seine Erfolge und Misserfolge, seine Hoffnungen und Enttäuschungen. Und langsam lichtete sich das Dunkel, das für mich über diesem Menschen lag. Er hatte sich mir offenbart.“ Genau so, meint Joumet, verhält es sich mit dem Gott der Philosophen und Gelehrten. Sie wissen um seine Existenz, kennen ihn aber nur als den großen Unbekannten (J. Loew: Der verborgene Schatz, Freiburg 1979, S. 110/111).


Der Bekannte- Unbekannte in meinem Leben 

Ich kann offensichtlich um die Existenz Gottes wissen, ihn gleichsam aus den Fenstern meines Lebenshauses sehen und ihn „treffen“ und dennoch nicht kennen. Ich kann über ihn reden und diskutieren, sehr gescheit vielleicht, und ihm dennoch nicht begegnen. Ich kann sogar zu ihm „beten“, mich an seine Weisungen und Gebote halten, „das ganze Gesetz erfüllen“ und dennoch nicht mit ihm rechnen. Ich kann zu seinem Volk gehören, zu seiner Gemeinde, zu seiner Kirche und ihn dennoch nicht erfahren. Ich kann sogar über ihn predigen und ihn verkünden und Menschen einladen, sich seinem Volk, seiner Gemeinde, seiner Kirche anzuschließen, also missionieren, und dennoch nicht mit ihm kommunizieren. Ich kann so leben, dass ich sein Klopfen nicht höre. Ich kann so leben, dass ich niemals seine Stimme höre: „Ich muss dich sprechen, ich trage da eine Sache mit mir herum, über die ich nicht länger schweigen kann. Bitte höre mir zu!“ Ich kann so leben, dass ich nichts erfahre von seinem Leben, von seinen Erfolgen und Misserfolgen, von seinen Hoffnungen und Enttäuschungen. Ich kann so leben, dass sich sein Dunkel mir nicht lichtet, dass er sich mir nicht offenbart. Ich kann so leben, dass er mir der große „Bekannte-Unbekannte“ bleibt. 


Der Bekannte im Leben des Hauptmanns 

Eines Tages (heute) höre ich dann diese Geschichte des Hauptmanns von Kafarnaum. Ich höre von seiner Not um seinen kranken Diener. Ich höre seine Bitte an Jesus, vorgetragen durch die jüdischen Ältesten: „Komm und rette meinen Diener!“ Ich höre von seiner Demut und Ehrfurcht: „Herr, bemüh dich nicht! Denn ich bin nicht wert, dass du mein Haus betrittst.“ Ich höre von seinem Glauben und Vertrauen: „Sprich nur ein Wort, dann muss mein Diener gesund werden.“ Ich höre das Staunen Jesu: „Nicht einmal in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden.“ – Ich sehe, dieser Mann gehört nicht zu den um Gott „Wissenden“, nicht zu den wortreichen theologischen Profis, nicht zu den professionellen Betern und Erfüllern des ganzen Gesetzes. Er gehört nicht im eigentlichen Sinne zum Gottesvolk, zur Gottesgemeinde, zur „Kirche“. Er gehört nicht zu den missionarisch Engagierten. Aber er nimmt Gott nicht nur von außen durch die Fenster seines Lebenshauses wahr. Er hört sein Klopfen an der Tür seines Lebens und öffnet sie. Er nimmt die Stimme auf: „Ich muss dich sprechen … Bitte, hör mir zu!“ So beginnt ein Gespräch, ein Austausch, eine Kommunikation, eine Offenbarung, die sein ganzes Leben verändert und auf eine neue Basis stellt. Diese Erfahrung eröffnet neue Dimensionen und Horizonte. Er sieht sich selbst, die anderen, die Welt in einem neuen Licht. Er spürt überall die verborgene Gegenwart des großen Gesprächspartners seines Lebens und entdeckt ihn vor allem in Jesus. Obwohl er ihn nicht persönlich sieht, hört und spricht, rührt er an sein tiefstes Geheimnis. Er vertraut ihm, glaubt ihm … und so wird er reich beschenkt: sein Diener ist gesund. 


Die Botschaft des Hauptmanns 

Ich spüre, der Hauptmann hat eine Botschaft, eine Sendung für mich. Er eröffnet mir. Lasse deine wissende, wortreiche, „fromme“, theologische, gesetzeserfüllerische, ekklesiale, missionarische Professionalität hinter dir. Werde zu einem Amateur, zu einem wirklichen Liebhaber Gottes. Lasse es zu, dass er an die Tür deines Lebenshauses klopft. Öffne ihm, und höre auf seine Stimme. Tritt ein in einen umfassenden Dialog, der dich zu einer wirklichen Kommunikation mit ihm führt. Sein „Name“, sein Leben, seine Erfolge und Misserfolge, seine Hoffnungen und Enttäuschungen müssen dir wichtig werden. Wandle dich zu einem wirklich vertrauenden, glaubenden Menschen. Setze alles daran, dass sich sein Dunkel lichtet, dass er sich dir offenbart. Du gelangst in eine Tiefe hinein, von der du nichts ahnst. Dein Leben wird sich wandeln. Alle Lebensbereiche erhalten eine neue Dimension, eine wirklich neue Perspektive. Du wirst beschenkt mit der Zuversicht, dass aus der Kraft seiner Nähe dein Leben gelingt.

 

P. Franz-Josef Janicki SVD