Christi Himmelfahrt (H)

Predigtimpuls

Seine Mission ist unsere Mission

1. Lesung: Apg 1,1-11
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Eph 1,17-23
Evangelium: Lk 24,46-53
Zum Kantilieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Für die Jünger, die bei der Himmelfahrt Jesu leibhaft dabei waren, gehörte seine Himmelfahrt zunächst zur Kategorie eines Spektakels, das nicht jeden Tag geschieht und das sie deswegen in Staunen versetzt hat. Leider gab es damals noch keine Digitalkameras oder Handys. Einer der Freunde Jesu hätte dieses Spektakel fotografieren oder sogar es filmen können. Noch am gleichen Tag hätten sie das Video bei Youtube oder in Facebook hochladen können. Wie viele neugierige Internetnutzer hätten es wohl angeklickt? 

Die Himmelfahrt Jesu war aber auch ein Abschied, der seine Freunde traurig machte. Einige Jahre haben sie Jesus predigen und lehren gehört. Sie haben seine Wunder miterlebt. Sie waren Augenzeugen seines Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung. Nach seiner Auferstehung wurden sie noch eine Zeit lang von ihm begleitet. Nun mussten sie ihn loslassen. Das Ende war unausweichlich. Dieser Abschied von Jesus war hart und schmerzlich. Sein Fortgang warf eine Frage auf, die lähmen und die Perspektive verengen kann: Wie geht es weiter ohne den Meister an der Seite zu haben? 

In der Traurigkeit über den Abschied und im Staunen über dieses faszinierende und ungreifbare Spektakel zu verharren, war keine adäquate Antwort. Deswegen weckte sie der Engel aus diesem Zustand der Starre mit den Worten: "Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?" Es bringt nichts da zu stehen, zu staunen und den Blick ständig nach oben, nach dem Himmel zu richten. Sie dürfen nicht wie Salzsäulen stehenbleiben, sondern müssen sich aufmachen. Sie müssen ihre Blickrichtung ändern und aufbrechen, um die Mission Jesu fortzusetzen. Ihre Zeit ist nun gekommen. Ab jetzt sind sie aufgefordert, seine Boten zu sein. Die Sache Jesu muss weitergehen. 

Die prägnante Botschaft dieses Festes lautet nicht: "Blickt ständig nach oben"; sondern: "Geht hinaus in alle Welt, seid Mitarbeiter Gottes, baut das Himmelreich auf Erden mit! Fahrt fort, sein Reich hier auf Erden auszubreiten, denn der Herr ist immer noch mit euch und in euch!“

Dieser Auftrag gilt uns allen, die an Jesus glauben. Dazu verheißt er seinen Geist. Dieser Geist wird uns stärken und die Kraft geben.

Mit der Himmelfahrt Jesu fängt also die Zeit der Kirche, ja, unsere Zeit an: Wir haben Jesus nicht mehr leibhaft unter uns, aber wir sind wie die Jünger gesandt, von dem zu sprechen, zu erzählen, zu verkünden und zu bezeugen, was uns bewegt, was wir feiern, was wir glauben, was wir hoffen und was wir lieben. In uns will Christus weiterleben. Durch uns sollen alle Jesus erleben. Durch unser Reden und Tun soll seine Botschaft weitergeführt werden. Jede/r von uns ist dazu berufen, ein anderer Christus, ja, ein neuer Christus zu sein. 

Ein uralter Text aus dem 14. Jahrhundert drückt diesen unseren Auftrag eindeutig aus: 

„Christus hat keine Hände, nur unsere Hände; um seine Arbeit zu tun.
Er hat keine Füße, nur unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu führen.
Christus hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um Menschen von ihm zu erzählen.
Er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe, um Menschen an seine Seite zu bringen.“

Zu ergänzen: „Wir sind die einzige Bibel, die die Öffentlichkeit noch liest. Wir sind Gottes letzte Botschaft, in Taten und Worten geschrieben.“ Dazu ist es nötig, dass wir uns von Jesus Augen, Ohren und Herz öffnen lassen, damit wir verstehen, wie wir für ihn Hände, Füße, Lippen, Hilfe und lebendige Bibel sein können. 

Die Himmelfahrt ist also das Fest des Perspektivwechsels, das Fest unserer Sendung: Schaut nicht in den Himmel, sondern tragt den Himmel zu den Menschen! 

Was bedeutet der „Himmel“ in diesem Zusammenhang? Für das deutsche Wort „Himmel“, gibt es zwei verschiedene Begriffe in der englischen Sprache. Wenn wir vom „Himmel“ sprechen, meinen wir zunächst den Himmel, den wir sehen, wenn wir nach oben schauen: in den dunkelblauen bzw. schwarzen Himmel in der Nacht und in den blauen Himmel am Tag, den Sternenhimmel, den Wolkenhimmel, den Himmel, aus dem der Regen fällt und von dem die Sonne scheint, den Himmel, an dem die Flugzeuge fliegen; kurz: den geographischen und meteorologischen Himmel über uns, die Atmosphäre, das Firmament, das Universum und den Luftraum. Im Englischen verwendet man für diesen Himmel das Wort „sky“. 

Das zweite englische Wort für den Himmel ist „heaven“. Es ist der Ausdruck für jenen Himmel, der gemeint ist, wenn man beispielsweise in Redewendungen spricht: „Ich fühle mich wie im siebten Himmel, es war einfach himmlisch, usw. “ Hier meint der Himmel dann einen Zustand bzw. eine Erfüllung. Dieser Zustand bzw. diese Erfüllung steht in Verbindung mit der Glückseligkeit, dem Gefühl des Angekommen-Seins, mit der Vollkommenheit bzw. mit dem Leben in Fülle. Für religiöse Menschen hat der Himmel in diesem Sinne die Bedeutung von „ganz bei Gott sein“. „Heaven“ ist also nicht ein bestimmter Ort, sondern eine Dimension der Wirklichkeit, die man nicht mit den Augen, sondern nur mit dem Herzen sehen, die man tief im Gemüt spüren kann. Dieses „heaven“, diesen Himmel kann man auf Erden schaffen und erfahren. Die Erde ist dann der Ort, wo solcher Himmel gebaut und erfahrbar werden kann. 

Die Popmusikgruppe „Silbermond“ fragt in ihrem Lied „Himmel auf“: „Wann reißt der Himmel auf – auch für mich, auch für mich / wann reißt der Himmel auf – sag mir wann, sag mir wann?“ Diese Frage beinhaltet die Sehnsucht vieler Menschen aller Zeiten, gerade dort, wo Unfriede, Enttäuschung, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Unheil, Krankheit und Not zu sagen haben. Sie sehnen sich nach Glück, nach Hoffnung, nach Frieden, nach Liebe, nach Harmonie, nach Heilung, nach Angenommen-Sein, nach Versöhnung, usw. 

Als Jünger des in den Himmel erhobenen Jesus sind wir beauftragt, diesen Himmel mit unseren Händen, mit unseren Füßen und mit unseren Lippen zu den Menschen zu bringen, ihn mit unserem Leben aufzubauen, denn wo dieser Himmel erfahrbar wird, da ist Heil, da ist Friede, da ist Versöhnung, ja, da ist die Liebe - und wo die Liebe ist, wo geliebt wird, dort ist immer Gott. Die hl. Thérèse von Lisieux (1873-1897) sagt: „Mein Himmel wird sich auf Erden ereignen. Ja, ich will meinen Himmel damit verbringen, auf Erden Gutes zu tun.“ 

In Jesus Christus berühren sich Himmel und Erde. Tragen wir diesen geerdeten Himmel zu den Menschen. Lassen wir uns „diesen Himmel auf Erden“ gegenseitig schenken und IHN finden, der mitten unter uns ist, denn er verlässt uns nie: Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt! Er ist unsichtbar, aber da. Glauben heißt wohl auch: auf das Verborgene vertrauen. 

Wo Himmel ist, dort ist Gott und wo Gott ist, dort ist Himmel. Dieser Himmel ist nicht in der Ferne, nicht in der Höhe und auch nicht in der Tiefe zu finden. Er ist auch nicht nur eine zukünftig-jenseitige Verheißung, sondern er ereignet sich im Hier und Heute, in Raum und Zeit, mitten unter uns und immer wieder. Er ist deswegen mach- und erfahrbar. Amen.

 

P. Dr. Fidelis Regi Waton SVD