2. Fastensonntag (A)

Predigtimpuls

„Wir haben für euch auf der Flöte (Hochzeitslieder) gespielt, und ihr habt nicht getanzt“ (Mt 11,17).

1. Lesung: Gen 12,1-4a
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: 2Tim 1,8b-10
Evangelium: Mt 17,1-9

Man kann Musik konsumieren wie eine Hintergrundkulisse, als Beruhigungs- oder Aufputschmittel oder als Deckel auf Leere und Einsamkeit: Wenn ich am Schreibtisch herumtue, in der Wohnung beschäftigt bin, im Auto herumkurve, dann ist Musik Decor. Anders ist es, wenn ich die Kulisse beiseite schiebe und mich der Musik öffne, mich nicht nur berieseln lasse, sondern ihr entgegenhorche, sie in mich einlasse. Dann spüre ich, wie lebendig sie ist , wie sie wirkt. Ihre Klänge müssen nicht immer wohlgefällige Bestätigung meiner Hörgewohnheit sein. Sie können auch Kopfschütteln bewirken und Missfallen erregen, wie das bei zeitgenössischen Komponisten häufig der Fall ist. Sie auszuhalten ist anstrengend, aber die Mühe lohnt sich: Ich werde mit der Zeit verändert und in meinem Innern weitet sich etwas. Eine wachsame friedfertige Grundgestimmtheit nimmt von mir Besitz mitten im Getriebe des Alltags. Der prophetische Vergleich von „Froher Botschaft vom Reich Gottes“ und Tanzlied zur Hochzeit weist auf eine interessante Spur. Der Verkündigungsdienst der Kirche kann zu Routine werden, schal und langweilig, wirkungslos. Die offene achtsame Begegnung hingegen verändert den Menschen, macht ihn empfänglich für eine umgebende Wirklichkeit ganz anderer Art, die ihn überfordern und ängstigen kann. 

Paulus spricht von seiner Begegnung mit dem auferstandenen Jesus, den er in dessen irdischer Lebenswirklichkeit nie kennen gelernt hat. Er schreibt verhalten in der dritten Person, so als würde es ihm schwer, daran zu rühren. Er weiß von einem Menschen, der in das Paradies entrückt wurde; ob es mit dem Leibe oder ohne den Leib geschah, weiß er nicht; nur Gott weiß es. Er hörte unsagbare Worte, die ein Mensch nicht aussprechen kann (vgl. 2 Kor 12,2-4). Dieses tiefe Erlebnis war grundlegend für sein ganzes Leben und Wirken mit all seinen Auftritten, Erfolgen und Enttäuschungen, Konflikten und Zustimmungen und schließlich für sein Gefangensein und sein Martyrium. 

Die Melodie seines Lebens, die ihn trug und inspirierte, klingt nicht so sehr nach einem fröhlichen Hochzeitstanz, sondern eher nach wuchtiger Rockmusik. Im Rhythmus seines Lebens folgte er dem Flötenspieler Gottes Jesus von Nazareth. Die Jünger, die mit diesem Flötenspieler unterwegs waren, wurden mitten in lebensgefährlicher Spannung auf dem Weg nach Jerusalem auf dem Berg des Gebetes von einer unfassbaren Wirklichkeit überwältigt. Sie erleben es als faszinierend („Es ist gut, dass wir hier sind“) und zutiefst beängstigend (… warfen sich mit dem Gesicht auf den Boden). Sie kamen mit dem Erlebten lange nicht zurecht. Sie konnten und sollten auch vorerst nicht davon sprechen („Erzählt niemandem vom dem, was ihr gesehen habt“). 

Und was war mit den anderen Jüngern? Sie haben den auferstandenen Herrn gesehen und erlebt. Keiner erzählte, wie ihm dabei zumute war. Es wird diskret angedeutet, dass sie erschraken und sich freuten. Diese unsagbare Wirklichkeit, zu der der Flötenspieler Gottes sie hingeführt hatte, gab ihnen ein neues (Selbst)Bewusstsein, ein neues Lebensgefühl. Sie wussten sich eingepflanzt in die unbesiegbare Lebensmächtigkeit Gottes mitten in den Lustbarkeiten und Betrübnissen des Erdenlebens. Das zeigte sich, nach einer Phase des Versteckens, in ihrem Freimut, mit dem sie kundtaten, was sie mit und „in Christus“ (eine Standardformulierung bei Paulus) erlebt hatten und immer wieder erfuhren. Strafandrohungen und Lebensgefahr konnten sie von diesem zuversichtlichen Lebensgefühl nicht abbringen.

Das haben sie sich nicht erarbeitet, sondern zugelassen. Sie haben die Lebensmelodie Jesu in sich eingelassen und nach seiner Flöte getanzt. Dieser Hellhörigkeit will die Fastenzeit mit ihren leisen Tönen und bescheidenen Zurückhaltung dienen.

P. Dr. Gerd Birk SVD