5. Fastensonntag (A)

Predigtimpuls

„Wir haben für euch auf der Flöte (Hochzeitslieder) gespielt, und ihr habt nicht getanzt“ (Mt 11,17).

1. Lesung: Ez 37,12b-14
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Röm 8,8-11
Evangelium: Joh 11,1-45
oder: Joh 11,3-7.20-27.33b-45

Es gab Zeiten, da gehörte der Tod zum alltäglichen Leben im öffentlichen Bewusstsein. Man hat ihn gefürchtet und gefeiert. In großen öffentlichen Gemälden trat er auf als Diziplinargespenst, als Rittersmann, als Tanzpartner; Franz von Assisi besingt ihn als Bruder. Der Totentanz ist ein großes Thema der Malkunst. Da reichen sich in Lebenslust Königin und Bettelmann, Dirne und Bischof, Soldat und Kleinkind in ihrem standesgemäßen Outfit die Hände, angeführt vom Sensenmann. Manchmal brauchen sie auch keine Kleider mehr, weil der Tod sie bereits heimgeholt hat und nur noch – alle gleich – als Gerippe herumhüpfen. In manchen Kulturen wird das Entsetzen vor dem Ende, die in böse Geister projizierte Angst vor Gericht und Hölle, durch Musik und Lärm und Klageweiber vertrieben. Ein solches Spektakel dient dem Evangelisten Johannes als Bühne für den Auftritt des „Flötenspielers“ Jesus. Es ist allerhand los im Haus seines verstorbenen Freundes Lazarus. Er trifft auf die aufgewühlte enttäuschte Erwartung der Todvermeidung: „Wärest du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben.“

Jesu Botschaft ist getragen von einer anderen Melodie. Er spielt sie auch am Grab. Er spielt nicht das Lied vom Tod, sondern vom Leben. Er äußert (outet) sich als das Leben selbst, das besteht, auch wenn das biologische Ver-Gehen passiert. Sein „Blutkreislauf“ überschreitet den Kreislauf der Biologie. Er lebt aus der unvergänglichen Verbindung mit Gott, dem Vater. Sie tritt vor allem in Erscheinung in der betenden Hinwendung zu ihm, oft in nächtlicher Zurückgezogenheit auf dem Berg. Diesmal zeigt sie sich am hellichten Tag in der Menge vor dem offenen Grab des bereits verwesenden Freundes und Jüngers. Der ist nämlich nicht wirklich tot; er lebt nur anders. Das Echo dieses Rufes klingt nach in der Präfation der Messe für die Verstorbenen: „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen.“ 

Lazarus zeigt sich in der Verhüllung eines Toten. Jesus befiehlt, ihm die Todesbande abzunehmen und ihn gehen zu lassen – Dienst des Lebens an den Verstorbenen. Ältere Übersetzungen nennen den lauten Ruf Jesu Seufzer. Der Seufzer ist oft ein Ausdruck des Leidens. Der Mensch Jesus empfindet auch Trauer und Schmerz über den Verlust des Freundes, aber nicht Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit. Er ist den Menschen nahe, aber in der sieghaften Gewissheit, ausgestattet zu sein mit der Macht über den Tod.

Wenn dieser Text an einem Fastensonntag verlesen wird, sagt er uns: Schürt durch euer Fasten nicht die Höllenangst, sondern bleibt auf der Spur der Freude; nicht der Freude des billigen Spaßes, des „Heidenspaßes“, wie der Verein der Freidenker böswillig seine Karfreitagsparty nennt. Macht aus dem Fasten auch kein hohles Fitnesstraining. Zeigt vielmehr, dass ihr euch nicht einwickeln und blenden lasst durch die Bande des Konsums. Beweist euch, dass ihr „ent-wickelt“ sein, loslassen und euch frei bewegen könnt; dass ihr den Tod nicht fürchtet, sondern ihn an eurer Seite wisst wie einen Bruder. Das ist als Umkehr intoniert mit dem „Flötenspiel“ Jesu. 

Der Evangelist lässt die Szene in die Grundlinie seines Evangeliums ausklingen (vgl. Joh 20,31): Viele Leute kamen zum Glauben an ihn. Sie haben Jesus nicht kopieren können, sondern sich geöffnet für seine Art, das Leben und die Menschen zu sehen und zu werten und in geschwisterlicher Versöhnungsbereitschaft zu leben. Loslassen um des Lebens in Freiheit willen kann schwer sein, schmerzhaft, von Trauer begleitet. Auch da ist der „Flötenspieler“ Jesus mit ihnen, aber viele schaffen es auch da nicht, umzudenken und ihm zu folgen. Die zweite Strophe seiner Melodie lautet: „Wir haben euch Klagelieder gesungen, und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen“ (Mt 11,17).


P. Gerd Birk SVD