14. Sonntag im Jahreskreis (A)

Predigtimpuls

“Nehmt mein Joch auf euch und lernt vom mir”.

1. Lesung: Sach 9,9-10
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Röm 8,9.11-13
Evangelium: Mt 11,25-30

Welches Joch drückt eigentlich nicht? Welche Last ist leicht? Was meint Jesus also damit? 

Zunächst bedarf es einer Deutung des Wortes „Joch”. In einem Lexikon werden wir belehrt: 

Ein Tragjoch im eigentlichen Sinne besteht aus einem für die Auflage auf dem menschlichen Nacken zugerichtetes, gerades Holz, an dessen Enden mit Hilfe von Seilen oder Ketten zwei möglichst gleichschwere Lasten angehängt werden. 

Bis in das 20. Jahrhundert war das Tragjoch eines der wichtigsten Transportmittel in weiten Bereichen der Welt und gehört heute noch zum Straßenbild der Großstädte in Schwellenländern oder ländlichen Regionen der Dritten Welt.

Im Alten Testament wird das Wort Joch mit den Geboten der Thora zusammengebracht. Die Gesetzeslehrer hatten die Aufgabe, die Menschen einzuladen, sich an die Gebote der Thora zu halten. Dies nannte man „das Joch der Thora“ oder „das Joch des Himmelreichs“ auf sich nehmen. Handelte es sich um einen Rabbi mit Vollmacht, der eine neue Auslegung der Thora lehrte, so sprach man auch von einem neuen Joch. Genau das wollte Jesus seinen Zuhörern sagen. 

Jesus lud seine Nachfolger ein, seine Interpretation der Thora, sein Joch, zu übernehmen und von ihm zu lernen. Diese Einladung gilt auch uns: Wir sollen von ihm, dem Sanftmütigen und Demütigen, lernen. Die Herzenseinstellung steht vor der Tat. In diesem Sinn ist sein Joch sanft. Er fordert nicht eine Unzahl von guten Taten. Sein Teil an unserem Joch ist Gottes Güte, seine Liebe, Sein Mittragen und Mitleiden, der „Gott-Mit-Uns”. Joch bedeutet hier: Liebe zu Gott und zum Nächsten, die Priorität unseres Lebens. Diese Gebote sollen nicht eine Last um ihrer selbst willen sein, sondern Jesus selber trägt am anderen Ende des Tragjoches unsere Last mit. Dietrich Bonhoeffer hat das einmal so ausgedrückt:

Das also ist das Joch, das er trägt, seine Sanftmut und seine Demut, das ist das Joch, das wir auf uns nehmen sollen, das Joch, von dem Jesus weiß, dass es uns hilft, unsere Last leicht zu machen. … Wer dieses Joch tragen wird, wer so von ihm lernen wird, der hat eine große Verheißung: „… so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ Das ist das Ende, diese Ruhe ist das Letzte, freilich schon hier unter dem Joch Jesu, „zusammengejocht”, mit ihm in der Sanftmut und in der Demut. Aber erst dort, wo alle Last fallen wird, wird die völlige Ruhe sein, die wir ersehnen. 

Die rabbinischen Lehren nennen diese Forderung, Gott zu lieben, auch das „Joch des Himmelreiches“. Wenn der gläubige Jude dieses Gebet spricht, zeigt er, dass die Liebe und die Barmherzigkeit Gottes das Ideal seines Lebens ist. Im Rezitieren des ,Shema’ öffnete der fromme Rabbiner sein Herz bedingungslos dem Willen Gottes, der die „Jochstage” unser Leben in Liebe mitträgt. Das große Gebot Gottes war und ist auch für Jesus Gott zu lieben und den Nächsten wie sich selbst. 

Diese Lebensweihe, wie man sie nennen könnte, wurde auch als das „in Empfang nehmen” des Gottesreiches bezeichnet. Sein Ziel war vollkommene Einheit - Gemeinschaft mit Gott. Wo immer ein Jude den Gesetzesvorschriften gehorchte und sich somit dem Herrn des Gesetzes unterwarf, wurde das Reich Gottes gegenwärtig, das heißt, er nahm teil an dem göttlichen Leben, nach dessen Abbild er geschaffen war. Was das im konkreten Leben bedeuten konnte, verdeutlicht uns bildhaft die Erzählung vom Tod des berühmten Lehrers Akkiba: 

Der größte Lebenswunsch eines typischen Rabbiners bestand darin, einmal die täglich vollzogene Lebensweihe durch die Tat bezeugen zu können. Das große Beispiel in der jüdischen Tradition war Rabbi Akkiba. 

Akkiba wurde wegen seines Glaubens zu Tode gefoltert, indem man ihn auf einem eisernen Rost zu Tode röstete. Während seines qualvollen Martyriums betete er unaufhörlich das große Gebet, die ,Shema’ (Höre o Israel...) und nahm somit das ‚Joch des Himmelreiches’ mit dankbarer Freude auf sich. Auf die Frage seiner Henker, warum er denn nicht mit seinem Geplärre zu seinem Gott aufhöre, denn kein Gott würde ihn jetzt noch vom sicheren Tode retten können, antwortete Akkiba: „All mein Leben lang habe ich dieses Gebet gesprochen und mich immer nach der Stunde gesehnt, wo ich es erfüllen konnte. Ich habe Jahwe aus ganzem Herzen, mit all meinen Gedanken und mit all meinen Kräften geliebt. Nun habe ich endlich die Gelegenheit, ihm zu zeigen, dass ich ihn mit meinem ganzen Leben bis zum Tode liebe. Deshalb kann ich nicht aufhören, dieses Gebet mit Freuden zu wiederholen bis zum letzten Atemzug“. Der Text schließt mit den einfachen Worten: „Mit diesem Gebet auf seinen Lippen starb er.” 

Das hier zu Beachtende ist: Akkiba glaubte nicht an ein ewiges Leben nach dem Tod. Nichts im Tode Akkibas deutet auf Verzweiflung hin, er denkt auch nicht an eine glorreiche Krone des Martyriums, die ihn als Belohnung erwartet. Für ihn ist die Erfüllung des Liebesgebotes durch seinen Tod der Höhepunkt seines Lebens, das größte Geschenk, das ihm Gott gewähren konnte. Gott hatte ihm die Gelegenheit gegeben, zu zeigen, wie sehr er ihn liebte, und darüber konnte er nur frohlocken. „Die Liebe bis zum Tode“ war die größte Lebenserfüllung, die er sich denken konnte. Denn auch er wusste: echte Liebe erwartet keinen Lohn, sie will nur für den Geliebten alles dahingeben.

Dass Gott uns wirklich durchhilft, wird oft erst im Nachhinein klar. Er kann uns die Nöte oft nicht ersparen, weil wir daran reifen sollen, aber wenn es zu schwer wird, trägt er selbst uns durch die Problemzeit hindurch. Dies wird sehr anschaulich und tröstend in dem bekannten Gedicht "Spuren im Sand" von Margaret Fishback Powers bildhaft dargestellt.

Eines Nachts hatte ich einen Traum:
Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn.
Vor dem dunklen Nachthimmel erstrahlten,
Streiflichtern gleich, Bilder aus meinem Leben.
Und jedes Mal sah ich zwei Fußspuren im Sand,
meine eigene und die meines Herrn.
Als das letzte Bild an meinen Augen vorübergezogen
war, blickte ich zurück. Ich erschrak, als ich entdeckte,
dass an vielen Stellen meines Lebensweges nur eine Spur
zu sehen war. Und das waren gerade die schwersten
Zeiten meines Lebens.
Besorgt fragte ich den Herrn:
„Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du
mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein.
Aber jetzt entdecke ich, dass in den schwersten Zeiten
meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist.
Warum hast du mich allein gelassen, als ich dich am
meisten brauchte?"
Da antwortete er:
„Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie
allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten.
Dort wo du nur eine Spur gesehen hast,
da habe ich dich getragen."

Ein Joch ist immer für zwei. Wenn Jesus sagt: „Nehmet mein Joch auf euch”, dann lädt er den Jünger in eine unauflösbare Lebensgemeinschaft mit ihm ein. Das heißt unser Lebensschicksal von der Liebe Gottes her zu verstehen, wie Jesus selbst es gelebt hat. Dass das so gemeint ist, geht aus einem anderen Wort hervor: „Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht scheiden“. Der ursprüngliche Sinn ist: was Gott „zusammengejocht” hat „Lernet von mir”, das bedeutet im Bild des Joches: Haltet mit mir Schritt. Ich bin sanftmütig. Ich überfordere euch nicht. Wenn ihr mit meinem Schrittmaß geht, dann werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.

P. Johannes Füllenbach SVD