7. Ostersonntag (A)

Predigtimpuls

„Für sie bitte ich“

1. Lesung: Apg 1,12-14
Zwischengesang: www.antworpsalm.de
2. Lesung: 1Petr 4,13-16
Evangelium: Joh 17,1-11a
Zum Kantilieren des Evangeliums: www.stuerber.de

Jesus betet für seine Jünger. Es ist die Stunde des Abschieds. Er wird aus der Welt gehen, die Jünger aber werden in der Welt bleiben. Sie sollen in der Welt, aber nicht von der Welt sein, so lautet Jesu Weisung. Bis heute steht jeder Jünger Christi vor dieser Herausforderung, in der Welt, aber nicht von der Welt zu sein. 

Die rechte Haltung wird heute häufig mit „Weltoffenheit“ bezeichnet. Weltoffenheit wünschen sich die Menschen vor allem von den Verantwortungsträgern der Kirche. Christen und Nichtchristen erwarten von ihnen, dass sie mit der Welt und ihren Menschen auf Tuchfühlung gehen, ihre Probleme aus unmittelbarer Nähe kennenlernen, sie in ihren Nöten verstehen, um ihnen dann Orientierung und Halt zu geben. Schon das Vat. Konzil II sprach aber auch von der Aufgabe eines jeden Christen, Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen zu teilen, um als Licht, Salz und Sauerteig in der Welt zu wirken und Zeuge zu sein für ein Leben, das der menschlichen Würde als Gottes Ebenbild entspricht. 

Wie mag Petrus zusammen mit seinen Freunden zumute gewesen sein, als sie sich nach Jesu Weggang im Obergemach in Jerusalem zusammengefunden hatten. Jesu Auftrag, der ganzen Welt das Evangelium zu verkünden, klang noch vernehmbar in ihren Ohren und Herzen nach. Sie sollen die Begegnung mit einer Welt suchen, die ihnen, wie sie bald erfahren werden, weitgehend feindlich und ablehnend gegenübersteht. Was tun sie? Welche Pläne entwerfen sie? Wie muss das Programm aussehen, das ihrer Verkündigung Erfolg versprechen wird? Nichts von alledem. Sie verharrten einmütig im Gebet, heißt es in dem Text, den wir eben aus der Apostelgeschichte gehört haben. Beten bringt Ruhe, versetzt in Gottes Gegenwart. Es ist bezeichnend, dass neben den Aposteln eigens die Mutter Jesu mit Namen erwähnt wird. Ihr Glaube und ihre Bereitschaft, auf das Wirken Gottes einzugehen, haben schon einmal zu einem Neubeginn der menschlichen Geschichte geführt. Marias schlichte, gläubige Gegenwart mitten unter den zum Gebet versammelten Jüngern wird auch in dieser Stunde zum Tor für Gottes Handeln, das in der Sendung des Geistes am Pfingstfest seinen Höhepunkt erreichen wird. Und hierin liegt auch der einzig legitime Grund für eine Öffnung zur Welt. Denn nur aus seinem Wirken entsteht Aufbruch, Wandel und Bewegung, geschieht Heilung und Wachstum und der Beginn eines Lebens, das auf Vollendung zugeht. 

Das Gebet schafft die Voraussetzung, dass der Mensch mitten in der Welt und doch bei Gott sein kann. Es bewahrt ihn davor, der Versuchung zu erliegen, selbst der Erlöser der Welt sein zu wollen. Im engen Anschluss an Jesu Wort und in der täglichen Erfahrung seines Todes und seiner Auferstehung wird er bereit, sich selbstlos, kreativ und innovativ für die Mitmenschen einzusetzen ohne selbst mit einer Welt konform zu werden, die im Streben nach Macht und Genuss zu sehr der Gefahr der Korruption unterliegt. 

Genau das mag die Sorge Jesu gewesen sein als er in seinem hohepriesterlichen Gebet, wie das heutige Evangelium auch genannt wird, an seine Jünger dachte: Werden sie sich zur Welt hin öffnen können ohne dabei um die Substanz des Evangeliums betrogen zu werden und ihre eigne Identität als Zeugen Christi aufzugeben? Sie haben das Wort empfangen, sagt Jesus in seinem Gebet, und sie haben es angenommen. Sie haben erkannt und geglaubt, dass er von Gott kommt. Sie waren dabei gewesen, als er mit seiner Botschaft die Menschen erschütterte und zum Glauben an Gott brachte. Jeder hatte gespürt, hier geht es um Wesentliches. Nun ist alles gesagt, alles getan. Jesus steht vor dem Schritt in die Passion und in die Vollendung. Er weiß sich in Gottes Hand. 

Beten ist das Einzige, was Jesus noch für seine Jünger tun kann. Sein Gebet ist echt, intensiv und sehr vertraulich. Er nennt Gott „Vater“. Nicht aus Resignation betet Jesus, sondern aus Verantwortung und Sorge für die Menschen, die er erwählt und in seine Nachfolge berufen hat und nun vor eine übermenschliche Aufgabe stellt. Werden sie stark genug sein, der Schuld der Menschen zu begegnen, sie mit ihnen zu tragen? Werden sie reif genug sein, Versöhnung und Frieden zu stiften? Jesus kennt ihre Schwäche durch und durch, ihre Unberechenbarkeit und Verletzbarkeit, ihren Ehrgeiz. Jesus weiß ferner mehr als jeder andere um die unheimliche Macht des Bösen, das die Menschen durch Betrug und Gewalt versucht für sich zu vereinnahmen. Dennoch vertraut er ihnen.

Was ist das Anliegen Jesu beim Gebet für seine Jünger? Er will sie in die Nähe Gottes führen, um jene Kraft zu finden, die alles erträgt, alles glaubt, alles hofft, alles duldet, und zu jener Liebe Zugang zu finden, die Gott selber ist, und die alle und alles verbindet. Sie allein gibt Sicherheit. Diese Liebe geht aufs Ganze. Sie ist Frucht des Ostergeheimnisses. Und Jesu Gebet erreicht alle, die sich in Glaube und Taufe ihm verbunden haben. An alle denkt er in dieser Stunde der Entscheidung, auch an uns. Und wo immer jemand im Namen Jesu betet und handelt, hat er Anteil an dem Segen, der von jenem hohepriesterlichen Gebet Jesu ausgeht. 

Vom berühmten Pastor und Erzieher Bodelschwingh wird folgende kleine Geschichte erzählt. In seinem letzten Lebensjahr, als er durch einen schweren Schlaganfall bereits gelähmt war, fuhr ihn einmal jemand im Rollstuhl durch den Garten seiner Anstalt für schwer erziehbare Jungen. Da erblickte er einen Jungen, der erst kurz zuvor aus der Anstalt ausgebrochen war und nach mehreren Einbruchsdiebstählen wieder eingeliefert worden war. Er winkt den Jungen heran und fragt ihn wie er heiße. Dann legt er ihm mühsam die Hand aufs Haupt und spricht langsam die Worte: „Thomas, ich segne dich im Namen Jesu!“ Am Abend saß der Junge ganz in sich versunken in einer Ecke des Hauses. Der Anstaltsleiter fragte ihn, was er denn habe. Da erzählte der Junge stockend sein Erlebnis an diesem Nachmittag. Zum Schluss kamen ihm die Tränen und er sagte: „Wissen Sie, ich bin in meinem Leben viel herumgestoßen und viel verprügelt worden, aber das hat noch kein Mensch zu mir gesagt: `Ich segne dich im Namen Jesu!´“ Bald darauf fand sich für den Jungen eine Arbeitsstelle. Er schrieb monatelang nicht, und der Anstaltsleiter glaubte schon, er sei wieder auf seine alten Wege abgeglitten. Da kam eines Tages ein Brief, in dem es gegen Ende der wenigen Zeilen hieß: „Sie müssen nicht denken, ich hätte gestohlen. Ich hab’s nicht vergessen, dass jemand einmal zu mir gesagt hat: `Ich segne dich im Namen Jesu!´“

„Du hast deinem Sohn Macht über alle Menschen gegeben“, heißt es im Gebet Jesu für seine Jünger, „damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt.“ Für uns verbindet sich mit dem Wissen um Jesu Macht über die Menschen nicht Furcht und Distanz, sondern Geborgenheit und grenzenloses Vertrauen, denn wir haben erfahren und glauben, dass diese Macht bei ihm nie von der Liebe getrennt ist. Solches Vertrauen aber ist es, was die Welt heute braucht, und dies im Namen Jesu zu vermitteln, bleibt die stets aktuelle Aufgabe der Kirche.

P. Anton Weber SVD