Pfingstmontag (A)

Predigtimpuls

„Dein Geist weht, wo er will“

1. Lesung: Apg 10,34-35.42-48a
Oder: Ez 36,16-17a.18-28
Zwischengesang: www.antwortpsalm.de
2. Lesung: Eph 4,1b-6
Evangelium: Joh 15,26-16,3.12-15
Zum Kantillieren des Evangeliums: www.stuerber.de


Vorbemerkung: Die folgende Liedpredigt betrachtet den Text von „Dein Geist weht, wo er will“. Das Lied sollte deshalb unbedingt auch im Gottesdienst gesungen werden. Die einzelnen Strophen können auch an der entsprechenden Stelle während der Ansprache gesungen werden. 

 

Dein Geist weht, wo er will
wir können es nicht ahnen.
Er greift nach unsren Herzen
und bricht sich neue Bahnen.

So heißt es in der ersten Strophe eines Liedes, das immer wieder gerne bei Firmungen gesungen wird. Eigentlich schade, dass es nicht den Eingang in unser Gotteslob gefunden hat – finde ich, denn mir spricht der Liedtext aus dem Herzen, allein schon die erste Zeile: „Dein Geist weht, wo er will“. Aber vielleicht ist es gerade die hier formulierte Vorstellung, die andere froh sein lässt, dass das Lied nicht im „Gotteslob“ zu finden ist und dadurch vielleicht (noch) häufiger in unseren Gottesdiensten gesungen wird. Das wäre für viele nicht so gut, würde man dann tatsächlich einen heiligen Geist besingen, den man nicht im Griff hat, dessen Wirken man nicht planen kann – nicht durch das Bewahren alter Traditionen und nicht durch das Entwickeln neuer Pastoralkonzepte. Denn dieser Geist „bricht sich neue Bahnen“. Diese neuen Bahnen eröffnen neue Wege für uns – Wege zu Gott, zueinander, zu uns selbst. Der Geist Gottes will uns ermutigen, neue Wege zu wagen. Gleich einem Abraham sollen wir den Aufbruch wagen aus dem Vertrauten in das Unbekannte, um so zum Segen zu werden. Gleich den Israeliten sollen wir den Aufbruch wagen aus Strukturen in denen wir gefangen sind, hin in die Freiheit. Gleich einer Maria, dem Urbild der Kirche, sollen wir, gerade an Pfingsten, dem Geburtsfest der Kirche, das „Ja“ zu Gottes Heilsplan wagen, damit Leben in Fülle möglich wird für alle Menschen. 

Und immer wirkt Gottes Geist.

Dein Geist weht, wo er will
er spricht in unsre Stille.
In allen Sprachen redet er
verkündet Gottes Wille.

Wenn wir in der Apostelgeschichte weiterblättern, können wir im dreizehnten Kapitel von fünf Männern lesen: Barnabas aus Zypern, Simeon, genannt Niger, weil er wohl dunkelhäutig war und aus Nordafrika kam, der ebenfalls dunkelhäutige Luzius von Zyrene im heutigen Libyen, Manaen, ein Jugendgefährte des Tetrarchen Herodes, und der Jude Saulus. Sie alle lebten in der Multikulti-Stadt Antiochia, wo sie, so berichtet die Apostelgeschichte, gemeinsam beteten und fasteten. Mit anderen Worten: Sie nahmen sich konkret Zeit für Gott und dabei erreicht sie der Anruf des Heiligen Geistes und sie erfahren, dass Barnabas und Saulus im Auftrag Gottes nach Zypern segeln und dort das Wort Gottes verkünden sollen. Hier konkretisiert sich, was gemeint ist in unserem Lied: Der Geist Gottes spricht nicht nur lateinisch, arabisch, deutsch. In allen Sprachen redet er und beruft Menschen aller Nationen, gleich welcher Hautfarbe sie sind, gleich welchen soziokulturellen Hintergrund sie haben. Aber das Sprechen ist halt nur die eine Seite einer gelungenen Kommunikation. Ebenso wichtig ist das Hören. Und das ist manchmal nicht so einfach in all den Stimmen und Geräuschen, denen wir in unserem Alltag ausgesetzt sind. So oft werden wir angesprochen, direkt und persönlich in der Familie, im Freundeskreis, im Beruf oder durch die Medien – und da herauszuhören, ob es der Heilige Geist ist, der zu uns spricht, da herauszuhören, was er uns sagen will, das ist die große Herausforderung. Helfen mag da, was uns schon die Bibel als probates Mittel präsentiert: Zeiten und Orte der Stille.. Wenn Jesus zu seinem himmlischen Vater betete, zog er sich an einen ruhigen Ort zurück.

Man muss Gottes Geist halt auch wirken lassen.

Dein Geist weht, wo er will,
ist Antrieb für die Liebe.
Die Hoffnung hat er aufgeweckt,
wo sonst nur Trauer bliebe.

An dieser Strophe kann eigentlich keiner Anstoß nehmen – nicht der noch so traditionalistisch eingestellte Christ, noch die noch so progressiv denkende Christin. Denn hier begegnet uns die katholische Tradition in aktueller und zeitgemäßer Form. Die ersten Worte der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils drängen sich ja förmlich auf beim Hören bzw. Singen dieser Strophe: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände. Ist doch ihre eigene Gemeinschaft aus Menschen gebildet, die, in Christus geeint, vom Heiligen Geist auf ihrer Pilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und eine Heilsbotschaft empfangen haben, die allen auszurichten ist.“ Der Mensch rückt in den Mittelpunkt kirchlichen Handelns und zwar jeder Mensch, ob er zur Kirche gehört oder nicht. Allen ist die Heilsbotschaft auszurichten. Die Zuwendung zu allen Menschen ist gefordert, denn nur ihnen zugewandt bekommen wir überhaupt mit, was die Menschen an Hoffnung und Freude, Trauer und Angst erfüllt, bewegt. In der Sprache unserer Zeit ausgedrückt: Es geht um Solidarität, gerade mit den Armen und Unterdrückten. Diese Solidarität hat höchste Aktualität und eine lange Geschichte, denn mit solchem Handeln stehen wir in der Nachfolge Jesu, realisieren und konkretisieren wir sein Hauptgebot der Liebe und damit eine Grunddimension von Kirche, die diakonia.

Da zeigt Gottes Geist belebende Wirkung.

Dein Geist weht, wo er will,
er ist wie ein Erfinder.
Aus Erde hat er uns gemacht
als seines Geistes Kinder.

Die letzte Strophe fasst im Grunde genommen das Ganze noch einmal zusammen. Letztlich geht es darum, dass unverkennbar ist, wes Geistes Kind jede und jeder von uns ist, wes Geistes Kind auch die Kirche ist. Nicht die Anpassung an den Zeitgeist ist angesagt, aber eine kritische Wachsamkeit dafür. 

Solidarität mit den Armen und Unterdrückten erfordert die Auseinandersetzung mit Wirtschaftssystemen und -strukturen, in denen der Mensch zum Rentabilitätsfaktor, zur Ware oder zum Ausgegrenzten wird, und Auseinandersetzung bedeutet ein Wissen darum und den Mut zur Positionierung – für den Menschen. 

Und wenn wir überzeugt sind, dass Gottes Geist Menschen aus allen Nationen und Kulturen ergreift, dann versteht es sich doch von selbst, dass wir jeder Form von Rassismus und religiösem Fanatismus entschieden entgegentreten müssen. 

Und wenn wir darauf vertrauen, dass Gottes Geist uns nicht nur ausgetretene, altbekannte Wege führt, dann frage ich mich, warum so oft zu hören ist „Ja, aber.....“ - 

weil es uns nicht gefällt, dass kirchliche Strukturen sich verändern, 

weil wir es unmöglich finden, dass diese Frau, die nicht jeden Sonntag in der Kirche ist, für den Pfarrgemeinderat kandidiert,

weil der Pfarrer nicht mehr jeden Sonntag in „meiner“ Kirche am Altar steht und stattdessen Frauen und Männer im Auftrag des Bischofs Wortgottesdienste feiern,

weil einfach Gottes Geist „weht, wo er will“.

Maria Gleißl, Pastoralreferentin