Graffitis

Hässlichkeit tut den Augen weh.

Unsere Augen wollen etwas sehen, woran sie sich erfreuen können. Niemand schaute mit Wohlgefallen auf die Berliner Mauer, dieses Denkmal der Schande. Und niemand schaut gern auf Betonwände, auf Bauzäune, Unterführungen oder Schallschutzmauern. Sie reizen Künstler - vor allem die, die sich dafür halten - des Nachts bei spärlichem Licht diese hässlichen Objekte mit Spraydosen zu besprühen und mit Graffitis ansehnlicher zu machen.
Aber was treibt die Graffiti-Künstler an, auch das, was nicht hässlich ist, durch wahlloses Beschmieren hässlich zu machen: U-Bahn-Wagen, Eisenbahnzüge, Denkmäler, Wartehallen oder Grabsteine, ja sogar historische Gebäude? Wie die Hand im Buch Daniel zum Entsetzen der Anwesenden das Menetekel, eine Warnung an die Wand schrieb, schreiben heute anonyme Hände Nacht für Nacht aus purem Übermut unheilverkündende Botschaften, Drohungen und Unmutsäußerungen, oder auch nur Kritzeleien an leere Wände, übermalen Gegenstände und verunstalten sie. Die Beseitigung dieser Vandalen-Kunst wurde für die Kommunen eine teure Angelegenheit und kostet jährlich viele Millionen.
In den Menschen unserer Zeit regt sich noch immer, wie bei den Wand- und Höhlenmalern der Steinzeit der Drang, die Umwelt zu gestalten. Die Graffiti-Künstler unserer Zeit, die meist Mühe haben, das Gestalten vom Verunstalten zu unterscheiden, sollten bei den Höhlenmalern, die noch wussten, wie man die Umwelt schöner macht, in die Schule gehen!

Walter Rupp, SJ