Poetisch

Ein Kachelofen hat etwas Poetisches an sich, weil er nicht nur Wärme, sondern auch Behaglichkeit ausstrahlt.

Ein Kachelofen hat etwas Poetisches an sich, weil er nicht nur Wärme, sondern auch Behaglichkeit ausstrahlt. Dampfheizungen dagegen erhöhen nur die Temperatur der Räume. Kerzen sind poetisch, weil sie mit dem Licht, das sie spenden, auch eine festliche Stimmung verbreiten. Neonleuchten leuchten zwar heller, aber ihre Helligkeit ist kalt. Ein Segelflieger ist poetisch. Wenn er, lautlos wie ein Vogel, in den Lüften kreist, hat man den Eindruck, dass er zur Natur gehört. Einem Düsen-Jet sieht man trotz seines schnittigen Designs an, dass er nur ein Beförderungsmittel ist. Eine Kutsche ist poetisch, weil sie zum Nach-denken und Träumen einlädt und die Erinnerung an Zeiten weckt, wo man noch Zeit hatte. Das gilt für moderne Automobile nicht, weil sie es immer eilig haben. Und Briefe können – vor allem wenn sie hand-geschrieben sind, poetisch sein, weil der Briefeschreiber darin gegenwärtig ist, was man von einer Mail nicht sagen kann. 

Aber wozu sind die Dinge, die von einem Geheimnis umgeben sind und etwas Poetisches an sich haben, nützlich?

Wir sollten sie nicht, weil der Fortschritt das verlangt, ganz aussortieren und uns nur mit Gebrauchsgegenständen umgeben. Würden wir nur Sach- und Fachliteratur inhalieren und die alten und vertrauten Dinge durch immer perfektere ersetzen, würde unsere nüchterne und kalte Umwelt noch nüchterner und kälter. Das Poetische trägt dazu bei, dass unser geschäftiger, auf Zweckmäßigkeit ausgerichteter Alltag nicht noch stumpfsinniger und öder wird.

Walter Rupp, SJ