Christsein

Gandhi, der häufig in der Bibel las, sagte einmal: "Wenn Ihr im Geiste Eures Meisters zu uns kommen würdet, wir könnten Euch nicht widerstehen!"

Gandhi, der häufig in der Bibel las, sagte einmal: "Wenn Ihr im Geiste Eures Meisters zu uns kommen würdet, wir könnten Euch nicht widerstehen!" Dass die, die sich Christen nennen - ja selbst die, die es predigen - es nur selten sind, ist die große Enttäuschung aller Nicht-Christen. Dieser Zwiespalt zwischen dem, was die Christen bekennen, und dem, was sie leben, ist ein Ärgernis und der eigentliche Grund, weshalb sich viele dem Christentum nicht anschließen. Die Erfahrung, dass so viele es nicht schaffen, das christliche Ideal zu leben, wirkt entmutigend auf sie. 

Das größere Ärgernis entsteht jedoch, wenn einer ernst macht mit seinem Christsein. Das wirkt auf viele wie eine Provokation. So nahmen die Pharisäer daran Anstoß, dass Jesus mit den Sündern Umgang hatte; die Gesetzestreuen, dass er auf den Buchstaben des Gesetzes nicht achtete; die Juden, dass er mit den verhassten Samaritern sprach; die Masse, die nach Zeichen gierte, dass er keine Wunder tat, und seine Jünger, dass er schweigend Unrecht hinnahm. 

Nicht nur damals nahmen Zeitgenossen an ihm Anstoß, auch wenn er heute lebte, hätten viele Schwierigkeiten mit ihm. Denn einen neben sich zu haben, der jedem vor Augen hält, wie er sein sollte, ist nur schwer zu ertragen. Das gute Beispiel reißt eben nicht immer mit, sondern reizt oft zum Widerspruch. Ein Christ, der nie Widerspruch erfährt, muss sich deshalb fragen, ob er wirklich Christ ist.


Walter Rupp, SJ