Reinkarnation

Mancher ist überzeugt, dass er ein Leben vor dem Leben hatte.

Der aus der Vorstellungswelt des Buddhismus stammende Glaube an Reinkarnation hat heute seine Anhänger in aller Welt. Mancher ist überzeugt, dass er ein Leben vor dem Leben hatte. Er glaubt zu wissen, dass eine Eiche damals an einer anderen Stelle stand, ein See größer, ein Berg höher und überhaupt alles anders war. Beim Besuch eines prächtigen Schlosses fällt ihm vielleicht noch ein, dass er dort einmal Gutsverwalter oder gar gräflicher Burgherr war. Wenn er es nur bis zum Kammerdiener brachte, hat er es meist vergessen. 

Wenn jemand ein Leben vor dem Leben hatte, müsste er sich genau daran erinnern können, auch wenn er damals ein anderer war. Denn wo die Erinnerung ausgelöscht ist, ist das alte Ich verschwunden. Was hätten wir davon, wenn wir gewesen wären? Ist nicht allein die Frage, ob wir ein Leben nach dem Leben haben, wichtig? Die christliche Hoffnung ist auf ein Neuwerden von Grund auf ausgerichtet, auf ein Eingehen in eine neue Welt, deren Dimensionen ohne Grenzen sind. Dieser Ausblick ruft bei manchen Schwindelgefühle hervor. Sie fragen sich, was denn an ihnen der Erhaltung wert sein soll? Sie wären mit weniger zufrieden: mit dem Anheben ihrer Lebensqualität und dass sie in einem späteren Leben ausreichend Gelegenheit erhalten, das Versäumnis nachzuholen. So verengen sie mit ihren kleinen und oft kleinkarierten Wünschen den weiten Horizont und machen aus der großen Hoffnung eine kleine.


Walter Rupp, SJ