Gedanken

Schlimm ist es, wenn man Gedanken in Aktenschränke sperrt

Wie gut, dass Münchhausen keine Glatze hatte. Hätte er es auch geschafft, sich an den Ohren und der Nase aus dem Sumpf zu ziehen? Münchhausen erlaubte seinen Gedanken die verrücktesten Ideen. Goethe nahm sie gern auf Reisen mit, damit sie die Welt kennenlernen. Heine brachte ihnen das Spotten bei. Kant erstürmte mit ihnen für unerreichbar gehaltene Gipfel. Nietzsche stachelte sie zu Attacken gegen alles an, was ihm missfiel, und Schopenhauer zwang sie, immer neue Grübeleien auszubrüten. Schriftsteller halten ihre Gedanken gern in Büchern fest. Musiker denken in Noten und lassen Gedanken über die Tasten eines Instrumentes gleiten. Maler formen daraus farben-prächtige Gemälde. Freud bohrte mit seinen Gedanken in den Seelen herum. Shakespeare schickte sie als tragische Gestalten oder als Narren auf die Bühne. Und Karl Marx brachte ihnen Klassenkampfgesinnung bei. Die Politiker von heute kneten Gedanken gern zu schwammigen und plakativen Sätzen. Journalisten jagen sie gern in Mikrophone, und Mönche holen sie vom Kopf ins Herz, weil sie mit ihnen meditieren möchten. 

Schlimm ist es, wenn man Gedanken in Aktenschränke sperrt oder auf einer Speicherplatte verdursten lässt. Gedanken fühlen sich nur wohl, wenn sie sich bewegen dürfen, wenn sie springen, klettern oder tanzen dürfen, und wenn man zuweilen mit ihnen scherzt und spielt.


Walter Rupp, SJ