Natur

Das Altertum bestaunte die Natur und hätte es für ehrfurchtslos angesehen, sie anzutasten.

Das Altertum bestaunte die Natur und hätte es für ehrfurchtslos angesehen, sie anzutasten. Man gab sich damit zufrieden, das Naturgeschehen zu verstehen und das zu beschreiben, was die Natur von sich aus tut. Für die Menschen war es Jahrhunderte hindurch selbstverständlich, Natur und Technik als Gegensätze zu sehen. 

Was die Technik tut, drückt das griechische Wort "Mechanik" aus, das so viel wie List bedeutet. Die Technik versucht mit Hilfe der Mechanik, die Natur mit Gewalt von außen dazu zu bringen, Dinge zu tun, die sie von sich aus nie tun würde, nämlich mit Hilfe von Pumpen Wasser aufwärts fließen zu lassen oder mit Flaschenzügen schwere Steine nach oben zu bewegen. Alle Dinge sind von sich aus träge und ändern diesen Zustand nur, wenn Einflüsse, die von außen kommen, sie dazu drängen. 

Auch der Mensch ist dem Trägheitsgesetz unterworfen. Auch er neigt dazu, in dem Zustand zu beharren, in dem er sich befindet. Er lässt von seinen Gewohnheiten nicht ab, und es braucht einen starken Anstoß von außen, wenn er eine Veränderung bewirken will. 

Mancher reagiert nur auf Drohungen, dass er mit einer Anzeige, einer Gehaltskürzung oder einer peinlichen Veröffentlichung rechnen muss. Selten reicht ein Appell an die Vernunft, dass er, wenn er so weitermacht, sich ruiniert. Am wirksamsten war noch immer der Leidensdruck: wenn man auf dem Röntgenbild die Raucherlunge, die Trinkerleber zeigen konnte. Das humanste Instrument für Änderungen wären die Motive, die dem Mensch zeigen: dass etwas sinnvoll und nützlich ist. Er kommt oft nur voran, wenn er sich selbst durch verlockende Motive überlistet.


P. Walter Rupp, SJ