Schicksal

Glück stellt sich weder mit dem Wohlstand noch mit der Bildung ein.

Thales von Milet sagte einmal von sich: er habe drei Gründe, dem Schicksal dankbar zu sein: weil er als Mensch und nicht als Tier, als Mann und nicht als Frau, und als Grieche und nicht als Barbar geboren worden sei. 

Ja, Bewusstsein haben und als Mensch geboren werden, das ist ein Grund, dankbar zu sein. Dem kann man nur zustimmen. Aber dass ein Mann, nur weil er Mann ist und nicht Frau sein muss, etwas voraushaben soll, dem muss man widersprechen. Und die Meinung, dass ein Grieche mehr Grund habe, auf seine Abstammung stolz zu sein als Angehörige anderer Völker, beweist, dass Thales nicht frei war von Überheblichkeit und Vorurteilen.

Man kann diesen Gründen für das Glücklich-Sein drei Gründe für das Unglücklich-Sein entgegenstellen. Unglück beginnt immer dann, wenn einer sein Dasein nicht mehr als Geschenk empfindet. Unglücklich-Sein entsteht, sooft einer nicht, wie er ist, sein will, und dagegen aufbegehrt. Und das Unglücklich-Sein wird so lange anhalten, so lange einer immer nach dem, was andere haben, schielt. 

Glück stellt sich weder mit dem Wohlstand noch mit der Bildung ein. Man kann es auch nicht mit dem Anhäufen des Besitzes steigern. Es hängt überhaupt nicht von irgendwelchen Gütern ab. Es kann sogar gegenwärtig sein, wo Mangel herrscht. Glücklich-Sein ist immer dort anzutreffen, wo einer für das, was er ist und was er haben darf, Dankbarkeit empfindet. Und es schwindet immer, wenn einer sich an das, was ihm geschenkt wurde, nicht mehr erinnert.


P. Walter Rupp, SJ