Kinderfragen

Die Kinder, die noch kindliche und naive Fragen stellen, wurden selten.

Wenn Kinder fragen, ob das Schwarze Meer wirklich schwarz und der Stille Ozean wirklich still ist, oder wissen möchten, woran das Tote Meer gestorben ist, ja wie denn die Klugheiten der neunmal Klugen heißen, bringen sie den Erwachsenen in Verlegenheit und führen ihm vor Augen, worüber er noch nicht nachgedacht hat. Kinder sind erst dann erwachsen – sagt man - wenn sie Fragen stellen, die man beantworten kann. 

Die Kinder, die noch kindliche und naive Fragen stellen, wurden selten. Sie haben zwar noch - wie die Kinder vergangener Zeiten - zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßeltern und Onkels oder Tanten, aber oft nicht, was sie brauchen: nämlich Geschwister, mit denen sie herumtollen und streiten können. Sie sind zu viel unter Erwachsenen und zu wenig unter ihresgleichen. Durch das frühe Herumtippen auf den Smartphones und den Laptops geraten sie schon früh in die Erwachsenenwelt hinein und müssen sich schon früh mit den Problemen der Erwachsenen befassen. 

Die Kindheit wurde kürzer. Viele Kinder sehen nicht ein, weshalb sie überhaupt noch fragen und mühsam nach einer Antwort suchen sollen, wenn sie die Antwort aus dem Internet abrufen können. Unsere Kinder sind dabei, ihre Kindheit, ja ihren Reifungsprozess abzukürzen oder gar zu überspringen. Aber denen, die zu früh erwachsen werden, merkt man das ein Leben lang an: Sie wissen zu viel, um schweigen, und zu wenig, um mitreden zu können. Selten gelingt es, diesen Mangel zu korrigieren.


P. Walter Rupp, SJ