Entfaltung der Persönlichkeit

Wie verschieden doch der Mensch den Menschen sieht!

Wie verschieden doch der Mensch den Menschen sieht! - Nach Auffassung der Biologen ist der Mensch, mit seinen verkümmerten Instinkten, sinnlich dümmer als die Fledermaus, das "hilfloseste aller Tiere", im wahrsten Sinn des Wortes ein "Schwachsinniger" mit einem leistungsfähigen Gehirn. Die Materialisten haben ihn immer bei den höher entwickelten, aufrecht gehenden, Werkzeuge schaffenden Tieren eingeordnet. Marxisten schätzten den einzelne nie hoch ein: als Baustein als unscheinbares Rädchen im Menschheitskollektiv. Rassisten vertraten stets das Recht des Stärkeren, und unterschieden zwischen den Herren- und den Untermenschen. Hitler wollte "eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend"; aus ihren Augen sollte das freie herrliche Raubtier blitzen". 

Psychologen sind sich nicht einig, in wie viele Typen man ihn einteilen, ob man ihn zu den freien oder triebgesteuerten Wesen zählen soll. Mancher Politiker sieht im Menschen weiter nichts als eine Wählerstimme, und mancher Betriebsleiter den immer noch "rentabelsten Roboter", die "intelligenteste Maschine", die für das Produktionsgeschehen unentbehrlich ist. Die Illustrierte stellt ihn vor als "nackten Affen". als einen mit "Zivilisation behängten Kannibalen", als mühsam gezähmten Wilden. Philosophen dagegen nennen ihn das "ens risibile", das Wesen mit der Fähigkeit zu lächeln und die Dinge von einer überlegenen Warte aus zu sehen. Wir Menschen nehmen, dank unserer Geistbegabung, unter allen Lebewesen eine Sonderstellung ein. Während die Entwicklung im Tierreich stagnierte und die Tiere zu lebendigen Maschinen wurden, ist der Mensch das niemals fertige Geschöpf. Er kann sich deshalb nicht darauf verlassen, dass die Natur ihn formt, das muss er selbst tun. Das ist seine Chance, dass er mitbestimmen darf, wie er sein will.


P. Walter Rupp, SJ