Predigtarten

Es gibt auch unter den Predigten eine Artenvielfalt.

Es gibt auch unter den Predigten eine Artenvielfalt: Die gern gehörte Predigt gibt den Anwesenden das befriedigende Gefühl mit, dass alles gut ist, wenigstens im Augenblick. Stegreifpredigten ziehen sich immer in die Länge, weil der Prediger erst auf Eingebungen von oben warten und die Zeit mit Wiederholungen von allgemein gültigen Sätzen füllen muss. Zeitnahe Predigten fassen alle Berichte der Woche, die man schon fast vergessen hatte, noch einmal zusammen. Bei den abgelesenen Predigten stellt der Prediger den Kontakt mit den Hörern hintan, damit er sich ganz auf seinen Text konzentrieren kann. Die katechetische Predigt macht ein Gotteshaus zu einem öden Klassenzimmer. Die eschatologische Predigt beschreibt auf eindrucksvolle Weise, was jedem so alles nach dem Tod an Überraschungen bevorstehen könnte. Charismatische Predigten verbreiten die Überzeugung, dass man das Liebesgebot erfüllt, wenn man ekstatisch betet und Mitmenschen während eines Gottesdienstes mehrmals umarmt. Prophetische Predigten sollte nur der besuchen, der im Glauben so gefestigt ist, dass er nicht an seiner Heilschance zu zweifeln beginnt. Die aufrüttelnde Predigt, mit der die Apostel verhärtete Herzen zerschnitten, wird nicht mehr gebraucht, seitdem die Urkirche zur Volkskirche wurde. Und die ideale Predigt, bei der die Hörer begeistert riefen: „Brannte nicht unser Herz, als er die Schrift erklärte“, wurde leider nur einmal gehalten, vor nur zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus.


P. Walter Rupp, SJ