Diagnosen

Schon zurzeit Jesu lieferten die Leute, die Kranke zu Jesus brachten, dass er sie heile, gleich die Diagnose mit.

Die Leute machen es den Psychotherapeuten, Seelsorgern und Ärzten leicht. Sie bringen gewöhnlich selbstgestellte Diagnosen mit, die sie in zahlreichen Gesprächen mit Angehörigen oder Bekannten erarbeitet haben und im Sprechzimmer – nach Rücksprache mit den Wartenden, die auch schon solche Beschwerden hatten – verfeinern und erweitern konnten. So stellen sie den Arzt, den Seelsorger oder Psychotherapeuten häufig vor ein doppeltes Problem: Sie von ihrer Diagnose, die ihnen schon von so vielen bestätigt wurde, abzubringen und sie für seine neu gestellte Diagnose zu gewinnen. 

Schon zurzeit Jesu lieferten die Leute, die Kranke zu Jesus brachten, dass er sie heile, gleich die Diagnose mit. Sie erklärten kurz und bündig: "ein Dämon quält ihn!" Jesus, konnte - im Unterschied zu den Ärzten – auch ohne Diagnose, jede Art von Krankheit heilen. Ärzte, Seelsorger oder Psychotherapeuten aber sind, das gilt in gleicher Weise für leibliche wie seelische Gebrechen, darauf angewiesen, die wahren Ursachen einer Krankheit zu entdecken. Weil Krankheiten sich gern verstecken, werden oft die wahren Ursachen einer Krankheit nicht erkannt. Ultraschallgeräte oder Röntgenschirme, auch gesprächstherapeutische Sitzungen machen oft nur die Folgen einer verborgenen Not sichtbar. Heilung ist nur möglich, wenn es gelingt, auch die Sorgen und Ängste, die hinter einer Krankheit stecken, zu entdecken. 


P. Walter Rupp, SJ