Politik

Die Plenarsäle unserer Parlamente gleichen mehr einem Stadion als einem Kongresssaal oder Auditorium.

Die Abgeordneten der verschiedenen Parteien sollten ein Spielchen unterlassen, das sie in immer neuen Variationen ständig wiederholen, weil sie damit so vielen auf die Nerven gehen: Spricht einer sich für Bildung aus, erinnert ein anderer sofort an den sozialen Bereich und wirft ihm soziale Kälte vor. Tritt einer für die Mütter ein, hält ihm ein anderer vor, er habe etwas gegen die Berufstätigkeit der Frauen. Setzt er sich für die Studenten ein, muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, ihm läge nichts an den Kleinkindern. Fordert die eine Partei eine Lohnsteigerung von 3 Prozent, überbietet eine andere sie mit einer 4,5prozentigen Erhöhung. Jedem Vorschlag wird ein anderer, noch wichtigerer Vorschlag entgegengestellt. Man bleibt bei keiner Frage und wirft immer eine andere auf. So jagt man von Problem zu Problem, ohne es anzupacken, und mogelt sich an der Frage vorbei, wie denn konkret die Antwort lauten müsste.

Die Plenarsäle unserer Parlamente gleichen mehr einem Stadion als einem Kongresssaal oder Auditorium. Dort werden nicht die gründlichen oder gar wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzungen geführt. Dort findet eher ein Schaulaufen der Abgeordneten statt, die gegeneinander antreten: wer die gewagtesten Pirouetten dreht; wer die gefälligere Kür hinlegt; wer die größeren Schwierigkeitsgrade meistert und das anspruchsvollere Programm präsentiert. Jeder möchte eine gute Figur abgeben und bei den Preisrichtern, seinen Wählern, mit hohen Noten bewertet werden.


P. Walter Rupp, SJ