Redenschreiber

Das Reden wurde leicht. Redenschreiber versetzen ihren Auftraggeber in die Lage, als Fachmann aufzutreten und sich ganz auf das Ablesen eines Textes zu konzentrieren.

Seitdem einem Abgeordneten, der eine gewisse Position erreicht hat, ein Redenschreiber zusteht, kann er es sich leisten – was kein Experte sich erlauben kann – schier jedes Thema zu behandeln. Er braucht seinem Redenschreiber nur das Thema und Art und Umfang seiner Rede nennen, dann wird der Redenschreiber ihm eine Rede nach den gewünschten Vorgaben liefern, das statistische oder wissenschaftliche Material und die Zitate oder Scherze beifügen, die das Ganze würzen. Ja, er kann sogar das Manuskript mit Hinweisen versehen, wann es angebracht ist, die Stimme zu heben und zu senken, zu lächeln, eine Pause einzulegen oder durch eine Geste zum Applaus aufzufordern. 

Das Reden wurde leicht. Redenschreiber versetzen ihren Auftraggeber in die Lage, als Fachmann aufzutreten und sich ganz auf das Ablesen eines Textes zu konzentrieren. Ein Redner muss nicht mehr in Bibliotheken gehen und sich den Stoff durch Lesen von Fachzeitschriften mühsam erarbeiten. Er muss nur, um sich nicht in Schwierigkeiten zu bringen, alles tun, Diskussionen auszuweichen. Es ist verwunderlich, über wie viele und wie verschiedene Themen sich heute Abgeordnete oder Kirchenmänner zu reden trauen: Ob frühkindliche Erziehung oder Erderwärmung, Bildungspläne oder den Strafvollzug, die Müllverbrennung oder die Rechtschreibreform, die Integrationspolitik oder die erneuerbaren Energien. Zu alldem haben sie meist nicht nur eine Meinung, sondern auch ein Rezept.

Wenn Redner sich zu bloßen Redenlesern machen, dann ist die Frage angebracht, warum denn nicht die Redenschreiber reden? Es würde allen Hörern nützen, wenn man weniger häufig Abgeordnete, Vertreter der verschiedenen Parteien oder journalistische Kommentatoren zu Wort kommen ließe, sondern die, die sich intensiv mit einem Thema befassten und deshalb etwas zu sagen hätten.


P. Walter Rupp, SJ