Die Wörter

Es ist gut, wenn wir miteinander auch über Altbekanntes sprechen

Was möchten Menschen, wenn sie miteinander reden? Gewiss nicht nur, dass der andere erfährt, was er noch nicht weiß. Es geht in einem Gespräch nicht in erster Linie um den Gedanken- und Erfahrungsaustausch. Auch nicht bloß um die Weitergabe von Wissen oder Neuigkeiten. Und auch nicht darum, dass wir uns gegenseitig ein bisschen schlauer und gescheiter machen! Wenn einer zu einem anderen sagt: „Die Sonne will sich heute wieder einmal nicht sehen lassen“, ist das eine Aussage ohne Informationsgehalt, denn jeder, der die Augen auftut, kann das sehen, dass der Himmel wieder einmal wolkenverhangen ist. Ist deshalb ein Gespräch wertlos, weil der eine einem anderen etwas mitteilt, was nichts Neues ist? - Man sollte den Wert eines Gespräches nicht allein an seinem Informationsgehalt messen.  

Es ist gut, wenn wir miteinander auch über Altbekanntes sprechen, über das, was andere längst erkannt, erlebt oder erfahren haben. Denn ein Gespräch ist dazu da, dass die Menschen, indem sie sprechen, einander näher kommen, dass Beziehung entsteht, und die Beziehung, die schon besteht, lebendig erhalten wird. Mit dem Verstummen fängt die Entfremdung an. Schweigen ist wie eine Mauer, wie ein Graben, der die Menschen voneinander trennt. Und der, der schweigt, isoliert sich dabei selbst und sperrt sich in ein selbsterrichtetes Gefängnis ein. 

Das oberflächliche Geplauder, das oft als überflüssiges Geschwätz erscheint, ist wichtig, weil es bindet. Wenn einer sagt: „Die Sonne will sich wieder einmal nicht sehen lassen“, stellt er nicht nur etwas fest, er sagt damit auch - ohne es auszusprechen - „Lassen wir uns dadurch die Laune nicht verderben! - Nehmen wir, was nicht zu ändern ist, geduldig hin!“ Oft ist eine solche Bemerkung ein vorsichtiger Versuch, dem anderen Mut zu machen und eine Aufforderung, sich vom trüben Wetter seine Stimmung nicht verderben zu lassen. Was kann ein Wort nicht alles sein? - Ein scharf geschliffenes Messer, mit dem man andere schwer verletzen kann; eine Salbe, die heilsam und schmerzlindernd wirkt; eine Keule, mit der man andere einschüchtern, in die Flucht treiben oder niederstrecken kann; eine bunte Seifenblase, die schwerelos aufsteigt und gleich danach zerplatzt; eine Melodie, die traurig oder heiter macht; eine Tablette, die das Schlafbedürfnis steigert oder ein Aufputschmittel, mit dem man sich und andere in einen Rauschzustand versetzen kann. Es ist darum angebracht, mit Worten - wenn sie hilfreich sein sollen - behutsam umzugehen.


P. Walter Rupp, SJ