Zweifler

In uns allen steckt ein Skeptiker

In uns allen steckt ein Skeptiker, der Behauptungen nicht mag, gerne widerspricht, auch plausible Gründe nur schwer anerkennt, hinter Sätze, die ihm nicht gefallen, Fragezeichen setzt und Argumente durch Gegenargumente zu entkräften sucht. Auch wenn er zuweilen gegen eine Wahrheit aufbegehrt, sollte man diesen Skeptiker in uns nicht mundtot machen und ihm das Recht zum Zweifeln lassen. Denn in unserer Welt, aus der Irrtum und die Lüge nie ganz vertrieben werden können, ist naive Vertrauensseligkeit nicht angebracht, da muss man sich vor Scharlatanen und Rattenfängern schützen. 

Der Zweifel ist ein Akt der Notwehr gegen das verwirrende Angebot an Meinungen und gegen das erdrückende Heer von Ratgebern, Vordenkern und Souffleuren. Die Skeptiker, die sich nicht bloß mit der Oberfläche und dem Schein zufrieden geben, sondern hinter die Dinge blicken, mehr erkennen und klarer sehen möchten, sind nützlicher als die vielen, die an erstarrten Grundsätzen festhalten.

Ein Skeptiker sollte allerdings nicht bloß in Frage stellen und widersprechen, nicht nur mit Spitzfindigkeiten flirten und mit Einwänden um sich werfen, um andere damit in Verlegenheit zu bringen. Er sollte seine Zweifel auch nicht ausleihen: aus dem Bekanntenkreis, aus einer Zeitung oder aus einem Fernsehkanal. Die meisten Skeptiker kamen durch Ansteckung und nicht durch kritisches Nachdenken zu ihren Zweifeln. Was sie plagt, sind ranzige Ideen, die sie aus Unachtsamkeit verschluckten. Zweifel können entstehen, wenn einer sich schlecht vorbereitet an schwierige Fragen heranwagt, sich einseitig informiert und sich den widersprechendsten Ansichten aussetzt. Dann wird er zwischen den vielen ‘Für’ und ‘Wider’ aufgerieben. Zweifeln kann zu einer chronischen Krankheit werden, wenn einer oft hintergangen wurde oder aus Naivität hereingefallen ist. 

In der Vergangenheit ging man mit Zweiflern nicht zimperlich um. Sie wurden wie Häretiker und Ungläubige behandelt. Sie können ein Gebäude, das auf festen Fundamenten steht, auch wenn sie noch so heftig daran rütteln, nicht zum Einsturz bringen. Ihr Kratzen am Verputz ist sogar nützlich. So können morsche, schadhafte und schlecht übertünchte Stellen entdeckt und ausgebessert werden. Skeptiker tun etwas Wichtiges: Sie helfen mit, dass der Rost und Staub, der oft auch auf Glaubenssätzen liegt, beseitigt werden kann. Sie machen den Ausblick auf die Wahrheit frei. Man sollte ihnen deshalb dankbar sein.


P. Walter Rupp, SJ