Helden

Warum werden in Zeiten, in denen man die Mutigen dringend bräuchte, nur Feiglinge geboren?

Die Historiker werden noch viel Mühe haben, das Rätsel zu lösen: Warum in Zeiten, in denen man die Mutigen dringend bräuchte, nur Feiglinge geboren werden, und in Zeiten, in denen man die Mutigen nicht braucht, die Helden in Scharen auftreten. 

König Saul hatte, als er regierte, ein stattliches Heer. Aber unter all seinen Kriegern war nicht einer, der den Mut aufbrachte, gegen den Riesen Goliat anzutreten. Der Hirtenknabe David half ihm schließlich aus dieser Verlegenheit. Und als der Heerführer Holofernes mordend und plündernd durch den Vorderen Orient zog und die judäische Stadt Betulia belagerte, wären die Bewohner der Stadt zur Unterwerfung bereit gewesen, hätte ihm Judit nicht den Kopf abgeschlagen.

So ging es in der Geschichte weiter. Während des Hundertjährigen Krieges, als in Frankreich kein Mann zu finden war, der gegen die Unterdrückung der Engländer aufbegehrte, stellte sich Jeanne d’Arc an Spitze des französischen Heeres und vertrieb sie aus dem Land. 

Was hätte im 20. Jahrhundert an Leid verhindert werden können, hätten die zahlreichen Helden, die heute so mutig gegen jede Form von Unrecht protestieren, damals gelebt! Warum gibt es sie heute? Und warum gab es sie damals nicht? Aber wahrscheinlich hätten sich die Menschen von heute, wenn sie gestern gelebt hätten, nicht anders verhalten als die Menschen von gestern. Aufbegehren, wo aufbegehren gefahrlos ist, hat nichts mit Tapferkeit zu tun. Mut beweist nur der, der ihn auch in der Bedrohung zeigt. 


P. Walter Rupp, SJ