Heilige

Die Bedeutung des Heiligen besteht nicht in seiner Fehlerlosigkeit.

Auch die Heiligen waren nicht ohne Fehler. Die Bibel verschweigt nicht, dass die Jünger Jesu wegen der Frage, wer von ihnen der Größere sei, in Streit gerieten. Sie verschweigt auch nicht, dass Petrus, der erste Papst, seinen Herrn drei Mal verleugnete, und dass der Apostel Paulus den Evangelisten Markus, der auf einer Missionsreise in Pamphylien schlapp machte, nie mehr mitnahm. 

Auch die späteren Heiligen der Kirche schafften es nicht, ganz fehlerfrei zu sein. Augustinus konnte sich nie von dem Pessimismus lösen, dass die Mehrheit der Menschen verloren geht. Der Kirchenlehrer Hieronymus scheint – das zeigen seine Briefe - immer schlechter Laune gewesen zu sein. Nikolaus von der Flüe folgte wohl, als er seine Frau und seine Kinder verließ, um Einsiedler zu werden, einem irrigen Gewissen. Bei Thomas von Aquin muss man sich wundern, dass er, der große, nüchterne Denker, an Hexen glaubte. Und bei Thomas Morus fällt auf, dass er gern über Mitmenschen spottete und über Frauen oder Bischöfe gern gewagte Scherze machte. Petrus Canisius, tat sich schwer, Verantwortung abzugeben, und der Pfarrer von Ars, der nur Heiligenlegenden las, gab sich mit einer doch bescheidenen Bildung und einer naiven Frömmigkeit zufrieden.

Die Bedeutung des Heiligen besteht nicht in seiner Fehlerlosigkeit. Er überragt die vielen anderen Christen, weil er, wie der Musiker, der Noten in Musik verwandelt, die Worte des Evangeliums, die sonst tote Buchstaben blieben, lebendig macht, indem er sie lebt.


P. Walter Rupp, SJ