Das Gute

Man kann nicht leugnen, dass viel Böses in der Welt geschah und noch immer geschieht.

So ist es! - Man kann es nicht kürzer und prägnanter sagen als es Erich Kästner tut: Es gibt nichts Gutes - außer man tut es! Es kommt nicht auf das Reden an, sondern auf das Tun. Die Welt wird dadurch nicht besser, dass man von guten Taten schwärmt. Und niemand hat etwas davon, wenn man sich über das Böse erregt und sich dagegen vehement ausspricht.

Der Vorwurf des Karl Marx, die Philosophen hätten über die Veränderung der Welt immer nur nachgedacht, es aber unterlassen, etwas für ihre Umgestaltung zu tun, ist berechtigt. Sie waren stets zufrieden, wenn sie über tiefsinnige Gedanken grübeln oder hohen Gedanken nachjagen konnten. Häufig haben sie sich dabei von der Wirklichkeit beträchtlich weit entfernt. Oft war es auch ein Glück, dass sie nicht die Kraft hatten oder nicht versuchten, ihre realitätsfernen oder gar gefährlichen Ideen durchzusetzen. Leider haben sich dann oft die Falschen ans Weltverbessern gemacht, weil sie sich dazu berufen fühlten: Ehrgeizlinge, die eine Chance, etwas zu werden, nützen wollten; Psychopathen, die nicht fähig waren, die Konsequenzen ihres Handelns zu überblicken oder gewissenlose Revolutionäre, die Veränderungen auf brutale Weise erzwangen, und nie danach fragten, ob etwas zum Nutzen oder Schaden der Gesellschaft ist.

Man kann nicht leugnen, dass viel Böses in der Welt geschah und noch immer geschieht. Aber was ist der Grund dafür? Geschieht es, weil sich die Bösen in der Überzahl befinden und die Guten rar geworden sind? Oder ist das Böse der Tatsache zuzuschreiben, dass die Guten glauben, gut zu sein, solange sie nichts Böses tun? Sicher ist, dass jeder jederzeit der andere sein könnte, dass jeder das Zeug zum Verbrecher oder Heiligen in sich hat.

Man sollte den Mangel an Gutem in der Welt nicht damit begründen, dass es eben zu viele schlechte Menschen gibt, sondern eher damit, dass zu viele Menschen nur vom Guten träumen und nichts tun, dass es sich auch gegen Widerstände durchsetzt. Die Welt wird erst dann gut sein, wenn sich die Guten nicht mehr fürchten, von den Schlechten schlecht gemacht zu werden, und die Schlechten sich endlich fürchten müssen, dass die Guten sie gut machen.


P. Walter Rupp, SJ