Die Welten und die Welt

Wer darf von sich behaupten, er kenne die Welt?

Wer darf von sich behaupten, er kenne die Welt? Auch wenn er noch so ausgedehnte Reisen unternommen und noch so viel Lebenserfahrung angesammelt hätte, er erlebt immer nur seine kleine, beschränkte Umwelt. Er erliegt doch der Gefahr, sich in dieser Teilwirklichkeit zu bewegen und das Ganze nicht zu sehen. In der einen Welt, in der wir leben, gibt es viele verschiedene Welten: eine Sport-Welt, die sich vor allem für Wettkämpfe, Rekorde und Medaillen interessiert; die große, weite Welt der feinen Leute, die genauso kleinkariert ist wie die Welt des Bürgers; die Unterwelt, die sich gern nach oben zerren lässt, um den Medien Stoff zu liefern; die Halbwelt, die so aufgewertet wurde, dass sie weithin volle Anerkennung findet; die etwas abgehobene, schillernde Welt der Künstler; eine Dritte Welt, wo die Zukurzgekommenen dankbar und zufrieden sind; eine zivilisierte, hoch technisierte Welt, in der die Menschen trotz Wohlstand und einer florierenden Vergnügungsindustrie zu Depressionen neigen; und dann noch die ‘bessere’ Welt, an die sich die Leute nur bei Beerdigungen erinnern. Am häufigsten ist wohl die Scheinwelt, in die so viele aus Angst vor der Wirklichkeit flüchten. 

Zu diesen Welten kommt heute die Medienwelt. Sie verführt die Menschen, ihre Aufmerksamkeit nur auf das Aufreizende, Einseitige, Spektakuläre zu richten. Mancher Zeitgenosse hält das für wirklich, was man filmen, aufzeichnen, kommentieren oder darstellen kann. Er scheint nicht zu merken, dass diese von den Medien präsentierte Welt nicht die reale Welt ist, sondern eine Reproduktion von Welt, eine am Schneidetisch zusammengeschnipselte, auf Zelluloid und Tonträgern festgehaltene Abbild-Welt. Viele schauen nicht mehr mit ihren Augen in die Welt, sondern nur noch auf Ausschnitte, auf Bildfetzen einer Welt, wie sie ein Reporter aus seinem - oft tendenziösen und verengten - Blickwinkel für andere festgehalten hat. 

Von welcher Perspektive aus man auch die Welt betrachtet, sie ist unfertig und verbesserungsbedürftig. Offensichtlich wollte der, der sie geschaffen hat, nicht als Lustgarten, in dem sich die Menschheit amüsieren soll, sondern als Bauplatz. Aus der Entwicklungsgeschichte der Welt kann man das Gesetz ableiten, dass Gott nicht alle Dinge macht, sondern macht, dass sie es machen. Der Mensch soll – je nach seinen Fähigkeiten – an ihrer Gestaltung und Verbesserung mitwirken. Dennoch wird es dem Menschen nie gelingen, eine von Mängeln freie, die heile Welt, zu schaffen, die Welt, in der er Erfüllung findet.


P. Walter Rupp, SJ